Von Christian Beck
Gundelsheim. Was verbirgt sich hinter der Formulierung "ortsbildangepasste Bauweise"? Darüber haben einige Anwohner der Gundelsheimer Panorama- und Urbanstraße in den letzten Wochen ausführlich diskutiert. Denn sie machen sich Sorgen, dass das Bauprojekt, das in der momentan unbebauten Lehmgrube entstehen könnte, eine massive Beeinträchtigung darstellen könnte - für die Wohnqualität wie für den Wert ihrer Häuser. Die RNZ sprach darüber mit den Anwohnern und auch mit der Gundelsheimer Bürgermeisterin Heike Schokatz.
"Auf dem Papier sieht das alles so nett aus", erzählt Anwohnerin Christa Messer-Hellmer. "Aber kaum jemand kann sich vorstellen, wie der Komplex dann tatsächlich wirkt", fügt sie ernst hinzu. Sie und andere Nachbarn haben aber genau das versucht: Nach ausführlichem Studium der Pläne sind sie mit Zollstöcken in die Lehmgrube an der Panoramastraße gegangen. Und sie waren entsetzt über die schiere Größe des Projekts.
Den Planungen des Investors Kern-Wohnbau GmbH aus Öhringen nach soll dort ein Komplex aus vier Mehrfamilienhäusern entstehen, die insgesamt 23 Wohnungen beinhalten. Alle Bauten sollen über zwei Vollgeschosse und ein drittes, zurückgesetztes Geschoss verfügen. Auf den Flachdächern sollen noch Fotovoltaikanlagen angebracht werden. Zudem ist eine Tiefgarage mit ebenerdiger Zufahrt geplant.
Doch all dies passe überhaupt nicht zum Charakter des Wohngebiets, das aus älteren Einfamilienhäusern bestehe, betonen mehrere Anwohner. So bemängelt Sandra Franz, dass die Tiefgarage aufgrund der ebenerdigen Zufahrt diesen Namen gar nicht verdiene. Vielmehr entstehe so an den Grundstücksgrenzen eine hohe Mauer, die auf die Anlieger wie ein Bunker wirke. An der nordwestlichen Grenze beginne das Erdgeschoss somit erst in 3,30 Metern Höhe. Zudem sei das dritte Geschoss nur geringfügig zurückgesetzt, es wirke deshalb ebenfalls wie ein Vollgeschoss. Und auch am Flachdach, das bislang kein Wohnhaus in der Panoramastraße hat, stören sich die Anwohner: Es verstärke die wuchtige Anmutung des Komplexes noch einmal.
Weitere Bedenken haben die Anlieger bei der Zahl der Parkplätze. Für 23 Wohnungen sind momentan 35 Stellplätze eingeplant - "viel zu wenig", betont Jan Franke. Schließlich hätten viele Familien mehrere Autos, zudem sei es in der Panoramastraße bereits jetzt eng, da die Lehrer der Realschule und die Besucher einer Besenwirtschaft häufig dort parkten.
"Wir haben das Gefühl, dass das Projekt möglichst schnell durchgedrückt werden soll", befindet Anwohner Oliver Franz. Er selbst ist Gemeinderat in Gundelsheim, in dieser Angelegenheit gilt er jedoch als befangen, darf deshalb bei Entscheidungen zu diesem Bauprojekt nicht mit abstimmen. Ihn stört, dass erst in der jüngsten Sitzung die Planungen öffentlich besprochen wurden - im Juli wurde bei drei Gegenstimmen ein vorhabenbezogener Bebauungsplan aufgestellt. Mit Verweis auf eine Maßnahme der Innenentwicklung mit überschaubarer Größe geschah dies im beschleunigten Verfahren. "Die Pflicht zur Durchführung einer Umweltprüfung wie auch der vorgezogenen Bürger- und Behördenbeteiligung entfällt damit.", heißt es in der Vorlage der jüngsten Gemeinderatssitzung.
Für Oliver Franz und weitere Anwohner mutet diese Vorgehensweise intransparent an. Sie sammeln deshalb Unterschriften und wollen so für eine Bebauung kämpfen, die in ihren Augen besser ins Ortsbild passe. Zum Beispiel ohne Flachdach und deutlich kleiner was dies Ausmaße anbelangt. "Wir sind ja nicht grundsätzlich gegen das Projekt", betont Franz. Er fürchtet jedoch, dass der Investor Kern-Wohnbau "das Grundstück bestmöglich ausschlachten" möchte. Und dass die Stadt Gundelsheim auf einen baldigen Verkauf dränge, um Geld in die Kasse zu bekommen. "Auf ihrer Facebook-Seite wirbt Bürgermeisterin Heike Schokatz bereits für die Wohnungen", kritisiert Franz.
Heike Schokatz selbst bestätigt, dass die Stadt das Grundstück in den zurückliegenden elf Jahren nicht verkaufen konnte. Das momentan diskutierte Projekt finde sie "sehr gelungen". In Gundelsheim sei die Nachfrage nach Wohnungen sehr groß, vor diesem Hintergrund sei der geplante Komplex in der Lehmgrube wichtig. "Ich hoffe, dass wir das hinbekommen", erklärt sie.
Zugleich betont Heike Schokatz, dass noch nichts in trockenen Tüchern sei. Vielmehr gebe es am Mittwoch, 28. September, um 19 Uhr eine Informationsveranstaltung zu diesem Bauvorhaben im Sitzungssaal des Gundelsheimer Rathauses. Zu den konkreten Beschwerden der Anwohner möchte die Bürgermeisterin bis zu diesem Termin nichts sagen. Doch sie betont: "Wenn der Widerstand zu diesem Projekt zu groß wird, muss man sich das überlegen".