Von Stephanie Kern
Mosbach. Frauen stark machen. Das wollte das Mehrgenerationenhaus Mosbach mit seinem Kurs "Stark im Alltag für Mütter mit Migrationshintergrund" erreichen. Und dass stark sein für Frauen bedeutet, einen "Familienbetrieb" (gleich welcher Form) am Laufen zu halten - das ist wohl überall auf der Welt so. Zehn Frauen, die geflüchtet sind und hoffen, sich hier ein neues Zuhause aufbauen zu können, lernten zwei Wochen lang, wie der Alltag in Deutschland aussieht bzw. aussehen kann.
So auch Tahani Kretum. Die 32-Jährige stammt aus Aleppo in Syrien, im Moment lebt sie in Waldbrunn mit ihrem Mann und ihren fünf Kindern. Seit zwei Jahren und drei Monaten ist sie in Deutschland. Schwanger war sie, als sie und ihre Familie sich von Aleppo aus auf die Flucht begaben. Über die Türkei und Italien führte ihr Weg nach Deutschland. Ihre jüngste Tochter ist hier geboren - eine starke Verbindung mit dem Land.
Ins Herz hat sie Deutschland geschlossen, ihr gefällt es, und sie und ihre Familie möchten gerne bleiben - über den Asylantrag muss noch entschieden werden. Die Kinder und ihr Ehemann sprechen schon gut Deutsch. Tahani allerdings konnte bis jetzt noch keinen Kurs besuchen: Der Mann arbeitet im Waldbrunner Bauhof, die Kinder müssen betreut werden.
Genau hier setzt der Kurs des Mehrgenerationenhauses Mosbach an. Denn er soll vor allem Frauen eine Chance bieten, die sonst nicht rauskommen. Und so konnten die Damen ihre Kinder mitbringen. "Der Kurs ist super angekommen. Ich glaube, die Frauen waren sehr dankbar, dass es so etwas gibt", zieht Gisela Scheithauer vom Mehrgenerationenhaus schon einmal ein Fazit. Denn wie es bei Tahani war, sei es bei vielen geflüchteten Frauen: Die Männer machen Deutschkurse, die Frauen würden gerne. Aber sie können - meist wegen logistischer Probleme - nicht. "Deshalb waren wir natürlich bemüht, eine Kinderbetreuung zu organisieren", erzählt Michaela Neff, die das Mehrgenerationenhaus leitet.
Die Frauen aus Syrien, Afghanistan und anderen Ländern nahmen den Kurs sehr ernst. "Mama geht in die Schule", sagte der Sohn von Tahani - sichtlich stolz. "Die Frauen haben durch den Kurs auch Wertschätzung erfahren", berichtet Scheithauer. Auf dem Programm standen keine Grammatik- und Vokabelübungen, sondern Alltagstraining: Einkaufen in einem deutschen Supermarkt, Besichtigung der Mosbacher Mediathek, Aufklärung über das deutsche Schulsystem, aber auch Beschäftigungsideen und Spiele für Kinder, die Vorstellung eines Betriebes und Wissenswertes zum Elternsprechtag oder zum Kinderarztbesuch. "Es ist wichtig, dass sie wissen, wie Dinge funktionieren und dass sie auch mit Kindern etwas unternehmen können", so Neff. Zum Beispiel wussten einige nicht, was Tampons sind, wofür oder wie man sie benutzt. Oder was in den Lebensmittelverpackungen steckt. Und eine Neuauflage für weitere Flüchtlinge ist schon geplant. "Es gibt schon eine Warteliste" sagt Scheithauer.
"Wir wollten die Frauen stark machen, damit sie auch selbst was können", sagt Michaela Neff. Umso schlimmer ist es für die Damen nach dem zweiwöchigen Intensivprogramm nun, sich nicht mehr treffen zu können, keine gemeinsame Unternehmung mehr zu haben. "Wir versuchen nun, diese Frauen in den offenen Treff des Mehrgenerationenhauses zu integrieren." Was aber die größte Hürde ist und bleibt: die Sprache. "Es müsste sehr viel mehr niederschwellige Kommunikationskurse oder ähnliches für diese Frauen geben", meint Michaela Neff.
Die Sprache ist für Frechta Husseini aus Afghanistan kein großes Problem. Ohne Deutschkurse hat sie die Sprache gut gelernt, kann sich mit ihren Nachbarn in der Waldstadt auch auf Deutsch sehr gut unterhalten. Die 27-Jährige erzählt: "Ich hatte immer Angst vor den Taliban." Ihr Schwiegervater wurde von den Islamisten ermordet. Seit einem Jahr und drei Monaten ist sie in Deutschland. Von Afghanistan floh sie gemeinsam mit ihrem Mann, Kind, Schwager und ihrer Schwiegermutter in den Irak, von dort war es ein 15-stündiger Fußmarsch in die Türkei, dann ging es mit dem Boot nach Griechenland, zu Fuß nach Mazedonien, mit dem Bus nach Serbien, Kroatien, Ungarn, Österreich und schließlich nach Deutschland. 52 Tage dauerte die Flucht.
"Ich möchte gerne in Deutschland bleiben. Ich will, dass mein Sohn zur Schule geht und lernt", nennt sie ihre für westliche Maßstäbe bescheidenen Wünsche. Sie selbst durfte nur bis zum neunten Lebensjahr in die Schule gehen. Die Taliban verboten es. Sie sei "glücklich" hier, erzählt Frechta.
In Afghanistan war sie an ihr Haus gebunden. "Hier kann ich spazieren gehen, ich habe Freundinnen. Für mich ist es ganz wichtig, etwas zu tun." Zuhause sitzen, das bekomme ihr nicht. Der größte Unterschied zum Leben in Afghanistan: "Mädchen sind dort nichts wert, der Mann ist der Chef", sagt Frechta. Ihr Ehemann akzeptiere, dass sie so nicht leben will. Ob es etwas gibt, das am Leben zu Hause besser war? "Nein", sagt sie bestimmt. Um die ganze Familie habe sie immer Angst gehabt, ihr Mann schwebte in Lebensgefahr. Auch die Eltern sind vor dem Krieg nach Deutschland geflohen. "Ich wünsche mir für meine Heimat, dass der Krieg zu Ende ist." Zurück will sie nicht mehr. Einen Schritt zur Selbstständigkeit haben Frechta und Tahini schon mit dem Starkmacher-Angebot im Mehrgenerationenhaus getan ...
Info: www.mehrgenerationenhaus-mosbach.de, Tel.: (0 62 61) 6 74 40 10.