Fahrenbach-Trienz. (kö) Mit der Bezeichnung "Institution im Ort" sollte man ja gemeinhin vorsichtig umgehen. Wenn jemand aber 70 Jahre lang fast täglich hinter dem Tresen seine Frau steht und immer noch mit Freude an der Arbeit die Gäste aus nah und fern bewirtet, dann ist das durchaus gerechtfertigt. Die Rede ist von Lore Kirschenlohr, die am morgigen Sonntag ihren 85. Geburtstag feiert.
Sobald sich die Türen des Trienzer Gasthauses "Zur Linde" in der Frühe öffnen und bis sie nachts wieder geschlossen werden, steht sie hinter der Theke, die "Lore vunn de Linne". Unter diesem Namen kennt man die Wirtin des Gasthauses in der Ortsmitte von Trienz. Sie ist mit ihren 85 Lenzen sicher eine der dienstältesten Wirtinnen in der Region. Doch über echten Ruhestand denkt Lore Kirschenlohr nicht nach; solange es geht, will sie den Kontakt zu den Gästen pflegen.
Klar gibt es auch bei ihr gesundheitliche Defizite, doch die lacht sie mit ihrer rundum positiven Art einfach weg. Sie weiß, was sie sich zutrauen kann, und wenn sie mit voll bestücktem Serviertablett die drei Stufen zum Saal hinab geht, ringt das manch einem einen staunenden Blick ab.
Für die 1932 geborene Bäckerstochter gehörte die Gastwirtschaft von Anfang an zum Leben dazu. Früh half sie im elterlichen Betrieb mit, den sie nach der Heirat mit ihrem mittlerweile verstorbenen Ehemann Kurt und der Geburt zweier Kinder 1969 in Hauptverantwortung übernahm und in dem sie eine echte Institution im Odenwald wurde.
Lore Kirschenlohr schaffte es zusammen mit ihrem Sohn Heinz, der eine Kochausbildung absolvierte, und dessen Ehefrau Susanne, immer am Puls der Zeit zu bleiben. Man passte sich den neuen Erfordernissen der Gastronomie an, modernisierte Schritt für Schritt, und so ist die "Linde" heute ein weithin angesehenes Speiselokal, das sich großer Beliebtheit erfreut. Beliebtheit sicher auch wegen der Herzlichkeit der Seniorchefin, für die ein neuer Gast nicht lange ein Unbekannter bleibt, weil die Wirtin direkt das Gespräch sucht.
Beim Umbau wurde übrigens Wert auf die große Theke gelegt, hinter der die nun 85-jährige wirbelt. Hier erfährt jeder Gast alles, was im Odenwald und darüber hinaus so passiert ist. Ihre Stammgäste sind der Wirtin sehr wichtig, und so springt sie auch mal gerne ein, wenn der ein oder anderen Kartenrunde ein Spieler ausfällt. Neben dem Kartenspiel hat das Trienzer Urgestein noch ein weiteres ungewöhnliches Hobby: Sie versäumt kaum einen Boxkampf im Fernsehen.
Am liebsten aber steht sie im Lokal, und so freut sie sich auch jedes Mal, wenn der ohnehin nur kurze Urlaub zu Ende ist. Auch gesundheitliche Probleme hielten sie bisher nicht davon ab, ihre Gäste zu bewirten. Das wissen natürlich auch ihre Kinder und die beiden Enkel, die hoffen, dass die "Linne-Lore" noch lange aktiv bleiben kann.
Gäste sind in der Linde nahezu rund um die Uhr zu finden, denn die Lore ist, wie sie selbst gerne sagt, "jo immer do".