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Von Protesten begleitet: Der Atommüll auf dem Neckar erreicht sein Ziel (plus Fotogalerie)

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Von Heiko Schattauer

Obrigheim/Neckarwestheim. Hunderte Polizisten, Dutzende Mannschaftswagen, 15 Begleitboote, reichlich Straßensperrungen - und über allem ein stetig kreisender Überwachungshubschrauber: Der erste Castortransport auf einem deutschen Binnengewässer erregte gestern großes Aufsehen. Um Viertel nach sechs in der Früh legte das Schubschiff mit drei beladenen Castorbehältern vom Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) ab, am Abend war der erste Atommülltransport über den Neckar am Ziel Neckarwestheim angelangt.

Die rund 50 Kilometer - auf denen sechs Schleusen und elf Brücken zu passieren waren - wurden allerdings nicht ohne Zwischenfälle zurückgelegt - so seilten sich in Bad Wimpfen Aktivisten von "Robin Wood" aus Protest gegen den Transport von einer Brücke ab und stoppten ihn zumindest für eine Stunde lang. Die findigen Atomkraftgegner sollen dpa-Angaben zufolge im Brückenkörper übernachtet haben und waren bis zur Aktion unentdeckt geblieben. "Sie haben uns überrascht", räumte ein Polizeisprecher ein. Auch bei Horkheim gab es eine Abseil-Aktion von Umwelt-Aktivisten, die allerdings rasch von Spezialkräften der Polizei beendet wurde und zu keiner Verzögerung führte.

Friedlich demonstriert wurde gegen den Transport - wie zuvor vom Bündnis "Neckar castorfrei" angekündigt - in Heilbronn. Insbesondere Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller wurde dabei angegangen, ein unverantwortlicher Umgang mit Sicherheitsfragen beim Transport angeprangert. Auf dem weiteren Transportweg war es zuvor sehr ruhig geblieben - keine Demonstranten, keine Banner, keine lautstarken Proteste. Überall dort, wo das Schiff "Edda" seine hochradioaktive Fracht vorbeischob, fanden sich allerdings zahlreiche interessierte Zaungäste am Ufer.

"Der Transport ist okay, im Zwischenlager Neckarwestheim gibt es ja noch freie Kapazitäten", bekundet ein Haßmersheimer Rentner, der am Wehr in Neckarzimmern die erste Schleusung des Schubverbands auf dem Weg neckar-aufwärts verfolgt. Mit dem rund 107 Meter langen Transferschiff werden auch die 15 Begleitboote der (Wasserschutz-)Polizei durchgeschleust, die sich nach dem Wehr wieder um den heiklen Transport verteilen. Von den drei Castorbehältern, die jeweils mitsamt Verladungsfahrzeugen auf dem Schubleichter fixiert sind, ist nichts zu sehen. Eine riesige weiße Einhausung ist über die Behälter mit den abgebrannten Brennelementen aus Betriebszeiten des KWO gestülpt. In die Castoren hat der Beobachter aus Haßmersheim volles Vertrauen: "Die sind zigfach überprüft, die Dinger sind dicht", sagt er.

Zweifel an der Sicherheit des Transports, wie in den vergangen Tagen und Wochen immer wieder von Atomkraftkritikern geäußert, haben auch Lena und Martina Siegmann nicht. "Das ist alles gut abgesichert", finden die beiden Frauen aus Obrigheim, die ganz froh sind, dass der Atommüll aus der eigenen Gemeinde wegkommt. Zugleich haben sie Verständnis, dass man in Neckarwestheim alles andere als begeistert ist über die zusätzlichen Castoren aus Obrigheim, die nun für 40 Jahre (oder länger) im dortigen Zwischenlager geparkt werden sollen.

"Man hätte sich schon bei Inbetriebnahme der Atomkraftwerke Gedanken machen müssen, was man später mit dem Müll macht", ergänzt in diesen Zusammenhang der Ruheständler aus Haßmersheim: "Jetzt ist das Problem eben da!" Ähnlich sieht es Peter Frauhammer aus Mosbach: Er hat schon die Beladung des Schiffs am späten Dienstagabend in Obrigheim verfolgt und sagt: "Das eigentlich Schlimme ist ja, dass der ganze Müll nochmal verladen und transportiert werden muss." Das Lager am Kernkraftwerk Neckarwestheim sei eben auch nur eine Zwischenlösung. Und auf der Suche nach einem Endlager für die hochradioaktiven Reststoffe der Atomenergie sei man bekanntlich noch immer nicht wirklich weiter gekommen.

Angekommen ist der erste Castortransport auf dem Neckar unterdessen gestern Abend in Neckarwestheim. Nachdem das Schiff ohne die eigentliche Ladung am Montag rund neun Stunden neckarabwärts gebraucht hatte, war es gestern mit den drei Castorbehältern an Bord deutlich länger unterwegs. "Der Schubverband fährt beladen und gegen die Strömung", begründete man seitens der EnBW schon vorab die verlängerte Rückfahrzeit. Auch die Protestaktionen wirkten: "Eine Verzögerung ist nicht wegzudiskutieren", so ein Polizeisprecher in Bezug auf die Zwangspause in Bad Wimpfen. Die Aktion der Aktivisten bezeichnete er als Straftat.

Zum Auftakt der Castorpremiere auf dem Neckar hatte es bereits ein wenig "Verwirrung" gegeben - wie der SWR am Morgen berichtete. Der Schubverband war nach dem Ablegen in Obrigheim nämlich zunächst ein kurzes Stück in die "falsche Richtung", also neckarabwärts gen Heidelberg gefahren. Das war laut EnBW allerdings geplant: "Vor der Schleuse Guttenbach wurde das erforderliche Wenden des Schubleichters durchgeführt. Die dortige Stelle ist dafür gut geeignet", erläutert eine Sprecherin des Energiekonzerns auf Nachfrage der RNZ. Das Manöver sei bereits beim Funktionstest, den man Ende Februar absolviert hatte, erprobt worden.

Dem ersten "echten" Transport vom gestrigen Mittwoch sollen nun im laufenden Jahr noch vier weitere Castortransfers folgen. Über weitere Termine schweigt man sich aus den vielfach angeführten "Sicherheitsgründen" zum jetzigen Zeitpunkt aus. Der Ablauf dürfte der gleiche sein, Aufsehen werden auch die noch ausstehenden Transfers erregen. Und begleitet werden sie wohl erneut nicht nur von Hunderten Polizisten, sondern auch von weiteren Demonstrationen und Protestaktionen.


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