Quantcast
Channel: Mosbach
Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199

Grubenwaldkapelle Billigheim: Der Sinn der Kapelle ist dahin

$
0
0

Von Stephanie Kern

Billigheim. Die Geschichte "ihrer" Kapelle kennt Heidi Lechner, seit sie ein kleines Mädchen war. "Nur aus den Erzählungen des Vaters", wie sie selbst sagt. Aufgeschrieben hat die Geschichte nie jemand. Besonders im Moment ist sie für die Familie aber wieder von großer Bedeutung, denn zwischen Freitag, 22. September, und Samstag, 23. September, wüteten in der Billigheimer Grubenwaldkapelle Unbekannte und richteten erheblichen Schaden an. Nazisymbole finden sich an den Wänden und am Boden der kleinen Kapelle in Privatbesitz, eine kleine Holzbank und die Fenster wurde zerstört - ebenso wie die Marienfigur.

"Von den Schäden bin ich schon sehr geschockt", sagt Heidi Lechner. Besonders vor dem Hintergrund der Erbauung der Kapelle: Ihr Großvater Emil Lechner hat sie gemeinsam mit seinen Schwestern Katharina Link und Berta Bier gebaut, nachdem er aus dem Krieg zurückkam. "Uns wurde die Geschichte immer so erzählt: Mein Großvater lag angeschossen im Schützengraben. Er hat sich geschworen, wenn er wieder nach Hause zurückkehren sollte, wird er eine Marienstatue errichten", erzählt die Billigheimerin. Daraus ist dann, auch weil Emil Lechners Schwestern dankbar waren, dass deren Männer ebenfalls aus dem Zweiten Weltkrieg nach Hause kamen, eine Kapelle geworden. "Ob das jetzt hundertprozentig so stimmt, weiß ich nicht. Wichtig ist: Alle sind wieder gekommen, alle hatten eine schlechte Zeit. Man sollte in der Kapelle dessen gedenken können, was während der NS-Zeit und dem Zweiten Weltkrieg geschah", so Heidi Lechner. Dass nun genau dieses Ansinnen durch die Beschädigungen so verhöhnt werde, ist für die ganze Familie "nur unfassbar".

Im Jahr 1956 wurde die Kapelle auf dem Gelände der Fürsten von Leiningen errichtet. Sie liegt direkt am Wanderweg, mit einem schönen Blick auf Billigheim. Die abgeschiedene Lage nutzten die Randalierer wohl aus. "Scheiß Gott" sprayten sie auf den Fußboden vor den kleinen Altar. "Sieg Heil" und ein Hakenkreuz direkt an den Eingang. Auch die Wände innen und außen sind mit Nazisymbolen und Symbolen nordischer Götter beschmiert. Die kleine Gebetsbank wurde mit einem Beil zerschlagen, die etwa einen Meter hohe Marienfigur aus massivem Holz hat ebenfalls einige Axthiebe abbekommen. Die Fenster wurden eingeschlagen. Die Polizei geht von einem Schaden von etwa 5000 Euro aus. Heidi Lechner meint, dass noch mehr Kosten auf sie zukommen. Alleine eine ähnlich große und hochwertige Statue könnte mehrere Tausend Euro kosten. Auf dem Schaden bleibt sie finanziell alleine sitzen: Die Kapelle ist in ihrem Besitz, nicht alle Enkel der drei Erbauer haben noch Kontakt.

Schon ihr Vater ist täglich mit dem Großvater, später dann mit seiner Tochter zur Kapelle gepilgert, hat nach dem Rechten gesehen. Und auch Heidi Lechners kleiner Sohn, die vierte Generation also, fragte, nachdem die Schäden entdeckt wurden: "Warum macht jemand sowas in meiner Kapelle?"

"Ich gehe von einem Jugendstreich aus", sagt Heidi Lechner. Wenn sich die Schuldigen melden würden und die Schäden mit ihr gemeinsam in Ordnung brächten, könnte man auch über einen Rückzug der Anzeige reden, die derzeit gegen Unbekannt läuft. "Wir wollen die Kapelle auf jeden Fall wieder sanieren und auch der Öffentlichkeit zugänglich machen", sagt Heidi Lechner, denn das sei schließlich das Ansinnen der Erbauer gewesen.

Durch die Beschädigungen sei, so meint Heidi Lechner, der "Sinn der Kapelle verloren gegangen". Dafür erfahre sie nun etwas ganz anderes: Zusammenhalt. "Alle in Billigheim sind gegen das, was hier oben passiert ist." Mitglieder des Jugendtreffs haben ihre Hilfe angeboten, aber auch über weitere Unterstützung wäre sie dankbar. "Mein Opa war froh, dass er den Krieg überlebt hat. Hier schreiben welche ,Sieg Heil’ und wissen wahrscheinlich gar nicht, was das bedeutet hat", ringt Heidi Lechner um Fassung, während sie die Gewehrkugel zeigt, die der Großvater erst im Bein und nach der Operation immer in der Hosentasche hatte. Die Geschichte "ihrer" Kapelle ist für Heidi Lechner gerade wieder aktueller denn je ...

Info: Die Kriminalpolizei Heilbronn bittet in Bezug auf die Sachbeschädigungen an der Kapelle um Hinweise unter Tel.: (0 71 31) 104 44 44.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199