Quantcast
Channel: Mosbach
Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199

KZ-Gedenkstätte Neckarelz: Bilderzyklus entstand unmittelbar nach der Befreiung

$
0
0

Neckarelz. Man sieht schmale Frauen in blaugrau-gestreifter Kleidung, schwer arbeitend, erschöpft, geschlagen oder um eine kleine wärmende Flamme geschart. Das "Album Déportation" der Budapester Künstlerin Edit Bán-Kiss drückt das Leid der KZ-Haft unmittelbar aus, doch verrät die malerische Behandlung auch ein geschultes Auge und kompositorische Meisterschaft. Die KZ-Gedenkstätte Neckarelz zeigt diesen Gemäldezyklus von 30 Gouachen ab Sonntag, 28. Januar, im Seminarraum. Doch in welchem Zusammenhang steht die Geschichte von Edit Bán-Kiss mit den KZ-Außenlagern um Neckarelz, die doch reine Männerlager waren?

Edit Bán-Kiss, geboren 1905, die in den 20er-Jahren in Budapest und Düsseldorf Bildhauerei studiert hatte, wurde im Herbst 1944 wegen ihrer jüdischen Herkunft aus Budapest verschleppt. Nach kurzer Haftzeit im Frauen-Konzentrationslager Ravensbrück kam sie im Dezember 1944 ins KZ-Außenlager "Daimler-Benz Genshagen". Dieses Lager war direkt im Keller einer Produktionshalle des größten deutschen Motorenwerks in Ludwigsfelde (Kreis Teltow) eingerichtet worden; das Werk hatte 1100 KZ-Frauen angefordert, um die Endmontage von Flugzeugmotoren auszuführen. Die eigentliche Fertigung der Motoren war im August 1944 unter dem Tarnnamen "Goldfisch" in unterirdische Gipsstollen bei Obrigheim verlagert worden. Diese Verlagerung führte in unserer Region zur Gründung der Konzentrationslager am Neckar; die "Frauen von Genshagen" bildeten praktisch das andere Ende der Produktionskette.

Der Berliner Autor und Filmemacher Dr. Helmuth Bauer hat das Schicksal dieser Frauen in 20-jähriger akribischer Arbeit erforscht, rekonstruiert und mehrere Dutzend Überlebende ausfindig gemacht. Er entdeckte auch in London das "Album Déportation" von Edit Bán-Kiss und sicherte es für die Nachwelt. Der Bilderzyklus mit 30 Gouachen stellt eine der frühesten künstlerischen Bearbeitungen der Deportation dar, die Künstlerin malte ihn unmittelbar nach der Befreiung im Sommer 1945; später sprach sie nie wieder über ihre Erlebnisse.

Die Ausstellung wird am Samstag, 27. Januar, um 14.30 Uhr offiziell eröffnet - hierzu sind alle Interessierten eingeladen. Besondere Gäste sind Edit Bán-Kiss‘ Schicksalsgenossin Alicja Kubecka aus Warschau sowie Helmuth Bauer aus Berlin. Dieser Tag ist gleichzeitig der 20. Jahrestag der Gründung der KZ-Gedenkstätte Neckarelz. Die Ausstellung wird von der Landeszentrale für politische Bildung Baden-Württemberg und der Gleichstellungsbeauftragten des Neckar-Odenwald-Kreises unterstützt. Die Daimler-Benz AG stellt speziell für diesen Anlass einen Katalog her.

Info: Die Kunstwerke sind vom 28. Januar bis 18. März sonntags zu den üblichen Öffnungszeiten der Gedenkstätte von 14 bis 17 Uhr zu sehen; jeden Sonntag um 15.30 Uhr findet dazu eine spezielle Führung statt. Der Eintritt in die Ausstellung ist frei - Besuche von Gruppen sind nach vorheriger Vereinbarung jederzeit möglich (vorstand@kz-denk-neckarelz.de).


Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199