Von Ursula Brinkmann
Strümpfelbrunn. In den gut 40 Jahren, die Rudi Reimold nun bei der Mosca GmbH in Waldbrunn arbeitet, hat sich manches verändert. War der 57-jährige Industriemechaniker an seinem ersten Tag als Lehrling quasi direkt an die Werkbank gestellt worden, so ist der Einstieg heutiger Auszubildender eine durchorganisierte Veranstaltung mit Empfangscharakter und Führung durchs Unternehmen. Geschäftsführerin Simone Mosca weiß, warum: "Heutzutage bewerben sich junge Menschen nicht mehr bei ihrem potenziellen Arbeitgeber, sondern wir bewerben uns bei den Auszubildenden." Was wiederum eine Erklärung ist dafür, was bei dem Entwickler und Hersteller von Umreifungsmaschinen und -bändern als jüngste Neuerung vorgestellt wurde: die "Lernfabrik".
Der Begriff ist in Baden-Württemberg mit Einrichtungen an beruflichen Schulen verbunden, an denen die Grundlagen anwendungsnaher Prozesse erlernt werden können - so auch an beiden Gewerbeschulen des Landkreises. Nicht anders ist es bei Mosca. Seit Anfang 2018 gibt es dort, wo einmal die Warenannahme war, einen rund 250 Quadratmeter großen Bereich, in dem an 22 Arbeitsplätzen und mit einem modernen Maschinenpark "zeitgemäße, praxisorientierte und fachlich fundierte Ausbildungsmöglichkeiten" geschaffen wurden, wie Simone Mosca weiter erläuterte. Eine Viertel Million Euro hat man hier investiert.
Tobias Heinrich ist im 2. Azubi-Jahr als Industriemechaniker bei Mosca und bereitet sich auf eine Prüfung vor. In der Lernfabrik findet er dazu gute Bedingungen: "Anschaulich, mit den anderen Azubis zusammen und der Ausbilder in der Nähe." Steven Eberle, bereits im 3. Jahr, hätte das auch gern gehabt. In der Lernfabrik sei einfach alles besser, lobt er besonders die Ausstattung. Ausbilder Franz Hamm findet die Unterschiede zwar nicht so gravierend, doch "heller, leiser, großzügiger und moderner" ist auch für ihn das Arbeiten geworden.
Mit der Lernfabrik erübrigt sich für die Mosca-Azubis der Besuch der"Überbetrieblichen Ausbildungswerkstätte Buchen". Die Grundlagen der gewerblich-technischen Berufe erfahren die jungen Leute, zu denen die Studierenden der Dualen Hochschule ebenso zählen, nun bei Mosca direkt. "So lernen sie früher die realen Aufgabenstellungen und Tätigkeitsfelder kennen", unterstrich Ausbildungsleiter Oliver Krieger.
Denn in der Lernfabrik wird auch gefertigt, in der "Juniorfabrik". Wenn‘s mal schnell gehen muss mit der Fertigung von Kleinserien, sind die Azubis ins Tagesgeschäft eingebunden. Da sei Verantwortungsbewusstsein gefragt, schätzt Simone Mosca auch diesen Aspekt. Ab Herbst seien dann 48 junge Menschen in sieben Berufsbildern und fünf Studiengängen bei Mosca in Ausbildung. Zehn Jahre zuvor waren es 32.
Dieses Engagement würdigten bei der Vorstellung der Lernfabrik Landrat Dr. Achim Brötel, Harald Töltl, Geschäftsführer Berufsbildung der IHK Rhein-Neckar, und Karin Käppl, Leiterin der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall - Tauberbischofsheim. Letztere überreichte an Simone Mosca ein großformatiges Zertifikat, das dem Unternehmen "Hervorragendes Engagement (…) in der Nachwuchsförderung" attestiert. Töltl sah in der Maßnahme ein "Zeichen der eigenen Stärke und des Vertrauens" und überreichte ebenfalls ein Zertifikat. Für Landrat Brötel, der für Bürgermeister Markus Haas mitsprach, ist das Lernen in der Lernfabrik keine eindimensionale Angelegenheit. "Ausbildung im modernen Verständnis ist nichts anderes als Wissenstransfer, (…) in beide Richtungen", betonte er, dass Unternehmen heute auch vom Auszubildenden lernen könnten. Rudi Reimold, erster und damals einziger Lehrling, blickt mit ähnlichen Gedanken zurück: "Ohne ständiges Verändern und Weiterbilden ging es nicht." In Waldbrunn bleibt man daher nicht stehen und denkt schon an eine Erweiterung der Lernfabrik.