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Neckar-Odenwald-Kreis: Der Tag des offenen Denkmals hat nichts von seinem Reiz verloren

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Von Peter Lahr und Frank Heuß

Neckar-Odenwald-Kreis. "Die Burg sieht schön aus. Aber man kommt leider nicht rein." Derlei bedauerliche Kommentare veranlassten die Deutsche Stiftung Denkmalschutz bereits im Jahr 1993, den ersten "Tag des offenen Denkmals" ins Leben zu rufen. Dass diese bundesweite Aktion auch beim 25. Jubiläum nichts von ihrer Attraktivität eingebüßt hat, bewies der Sonntag vortrefflich.

Allein in Baden-Württemberg konnten geschichtsinteressierte Bürger zwischen 900 Objekten aussuchen. Auch in der Region öffneten nicht nur Kirchen wie das Neckarelzer Tempelhaus, die Mosbacher Stiftskirche, die Gutleutkapelle oder die Hochhausener Notburgakirche. Auch Institutionen wie die Alte Mälzerei und das Siebenbürgische Museum in Gundelsheim setzten das Jahresmotto "Entdecken, was uns verbindet" in speziellen Führungen um. Die Fachwerkarchitektur Mosbachs bildete ein weiteres Kennenlernangebot. Zudem boten Privatleute Einblicke in ihre sonst meist verschlossenen Gebäude.

Eine ganz besondere "Zeitreise" ermöglichte Lutz Fichtner in Strümpfelbrunn. Passend zum Jubiläum der Aktion öffnete er erstmals die Pforten des alten Kindergartens. Das 1903 für diesen Zweck errichtete Gebäude hat er vor 25 Jahren erworben und seitdem mustergültig renoviert. Eine Jugendstilsäule steht bis heute in der Mitte des großen Raumes, durch den einst die Kinder tobten. "Da war immer in der Ecke der Bollerofen", erinnerte sich eine Besucherin. Auch Schwester Lisa, die letzte Diakonisse, die hier bis 1976 wirkte, war vielen Gästen noch ein Begriff.

"Es hat Spaß gemacht, es war nichts verbaut", beschrieb der Hausherr die Sanierung, die er größtenteils eigenhändig ins Werk setzte. Den Tüftler verrät auch die erste Kunstausstellung, der Lutz Fichtner schelmisch den Titel "Die Erde ist eine Scheibe" gab. Eine Kollektion aus raffiniert zusammen geschraubten Exponaten, darunter eine "Lichtwaschmaschine", galt es zu bewundern. "Upcycling-Kunst", an der auch die Jüngeren ihren Spaß hatten, konnten sie doch hier kurbeln und dort auf diverse Knöpfe drücken, um weitere Ebenen zu entdecken.

Über mehrere Ebenen führten Birgit und Albert Rüping im Halbstundentakt durch die Burg Dauchstein in Binau. "Es ist ein Traum von meinem Mann", erklärte die neue Burgherrin. Erst vor zweieinhalb Monaten hat das Paar aus dem Münsterland die Anlage erworben und entschied sich kurzfristig, die Tore zu öffnen. Ob der räumlichen Begrenztheit - der Innenraum misst sechs auf sechs Meter - konnten pro Führung nur acht Erwachsene einen Blick in die einstige Zollburg am Neckar werfen. "Ein Abtritt ist für so eine kleine Burg etwas ganz Besonderes", verwies Albert Rüping auf eine bauliche Besonderheit der durch ein Rüstholz auf 1334 datierten Anlage. Derzeit stehe die Efeubekämpfung im Mittelpunkt; mittelfristig überlegt das Paar, einen Förderverein ins Leben zu rufen.

Rund 40 Gäste konnte Anita Schneider in der Stiftskirche/St. Juliana begrüßen. In der Simultankirche ging das Mittelalter direkt in die Neuzeit über. "Die Manesse war sechs Jahre in Mosbach", wusste die profunde Kennerin des Gotteshauses.

Erst einmal außen herum führte Magdalena Putze ihre rund 50 Zuhörer um die Gutleutkapelle. Anschaulich stellte sie die Inhalte der Fresken im Inneren dar, ebenso das harte Leben der einstigen Bewohner, an Lepra erkrankte Menschen. Im Anschluss besichtigte die Gruppe den jüdischen Friedhof, dessen Tahara-Haus (für Leichenwaschungen) erst Anfang der 70er-Jahre "in einer Sonderaktion über Nacht" verschwand. "Damals wurde auch der Kapellenweg angelegt", erläuterte die Gästeführerin.

Ein Anlaufpunkt war einmal mehr auch das Neckarelzer Tempelhaus: Die einstige Johanniterburg, die zwischen 1731 und 1734 zur katholischen Kirche umgebaut wurde, ist in ihrer Art einzigartig und überregional bekannt.

Bis heute lässt sich die ursprüngliche Entstehung der Burganlage vor 1300, als sie dem Johanniterorden wahrscheinlich von einem Graf Ludwig von Dürn gestiftet worden war, nicht gesichert nachzeichnen. Gründer und Komtur (Verwalter) der Johanniter in Neckarelz war Konrad von Büchel, dessen als "Conradusstein" bezeichnete Grabplatte noch heute im Tempelhaus zu sehen ist. 1350, nachdem der Orden die Anlage aufgab, ging sie erst an die Herren von Hirschhorn und kam über mehrere Eigentümerwechsel 1499 in Besitz der Kurpfalz.

Im Wechsel leiteten Horst Uhl und Richard Zöller am Nachmittag vier Besuchergruppen von jeweils rund 30 Personen durch die historischen Gemäuer. Dabei erläuterten sie viele spannende Blickpunkte: Altäre, Wandmalereien, Bilder, Spuren der Römerzeit, bauliche Facetten etwa bei den erhaltenen oder nachträglich eingefügten Fensteröffnungen und anderes mehr. Ebenso wurde über die enge Wendeltreppe der Turm bestiegen. Viele Nachfragen bei den Führungen belegten die Faszination, die von dieser mittelalterlichen Burganlage ausgeht.


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