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Kabarettist von Wagner in Neckarelz: Manchmal ist es echt zum Haare raufen

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Von Pia Geimer

Mosbach-Neckarelz. Er ist einer der scharfsinnigsten und gleichzeitig wortgewandtesten Beobachter unserer Zeit. Den politischen Durch- und Weitblick von intelligenten Köpfen wie Claus von Wagner würde man sich bei unseren gewählten Politikern wünschen, die angesichts von Finanzkrisen, Wirtschaftsblasen und Börsencrashs oft hilf- und heillos überfordert wirken.

Mit seinem rasanten Soloprogramm "Theorie der feinen Menschen" lüpfte der Kabarettist am Samstagabend zum Ende des Mosbacher Sommers den Schleier des Magischen und gewollt Unverständlichen und ließ die Zuhörer im Neckarelzer Burggraben einen Blick ins globale Haifischbecken der Finanzwelt werfen, bei dem einem das Lachen zuweilen im Hals stecken bleiben konnte.

Es ist wahrlich kein bequemer Kabarettabend, bei dem man es sich in einer persönlichen Meinungsblase gemütlich machen kann, ebenso wenig wie bei der "Anstalt" im ZDF, in der Claus von Wagner spitzfederführend als Autor und Hauptdarsteller beteiligt ist. Bitterböse und blitzgescheit und auch ein bisschen schwarz ist der Humor, mit dem er sich auf aktuelle Missstände in Politik und Gesellschaft stürzt. Und mit geradezu forensischer Akribie, mit der er in diesem Programm die Machenschaften der Finanzjongleure seziert, liefert er ein Kabinettstück der besonderen Art. Man muss übrigens nicht Volkswirtschaft studiert haben, um ihm folgen zu können, auch wenn das Tempo seines Vortrags hoch ist und man sich tatsächlich fast drei Stunden lang intensiv konzentrieren muss.

Aber Claus von Wagner nimmt das Denkvermögen seiner Zuhörer ernst, lässt sein Publikum teilhaben an den Lichtern, die ihm selbst aufgingen, als er sich vor einigen Jahren ernsthaft mit der Materie zu befassen begann. Er besitzt einen Master in Kommunikationswissenschaft und eignete sich sein Wissen zum Thema Finanzwesen an, indem er sich monatelang durch VWL-Bücher und -Publikationen pflügte. Was dabei an Erkenntnissen herauskam, packte er in ein hinreißendes, klug montiertes und gekonnt präsentiertes Kammerspiel, das er jeweils mit ganz aktuellen Bezügen würzt.

In seiner "Theorie des feinen Menschen" verkörpert Claus von Wagner Herrn Neumann, einen unscheinbaren Nobody, dem wie den meisten von uns die Finanzwirtschaft eigentlich immer "wie ein Puzzle mit 5000 Teilen von einem blauen Himmel" vorkam. Er wird versehentlich nach Dienstschluss im Tresorraum einer Bank eingeschlossen, als er dort das Schließfach seines verstorbenen Vaters ausräumen wollte. Der war als Funktionär eines großen Wirtschaftsprüfungsunternehmens quasi mittendrin gewesen im Haifischbecken der Hochfinanz. Während Neumann junior in wachsender Verzweiflung auf die Befreiung aus seinem zeitschlossgesicherten Kerker wartet, sichtet er die ihm zunächst kryptisch erscheinenden Papiere seines Vaters und er erkennt plötzlich, wie das fatale Goldesel-Spiel im weltweiten Wettbüro funktioniert.

Herrlich, wie Claus von Wagner, der übrigens auch über beachtliche schauspielerische Fähigkeiten verfügt, sich auf der Bühne hyperventilierend und Haare raufend in Ekstase hineinsteigern kann. Denn obwohl seine Erkenntnisse genau genommen äußerst beunruhigend sind für das "Plankton im Haifischbecken" (also uns alle), ist seine Show doch auch äußerst witzig und geradezu visionär. Seine Erklärungen sind ebenso einleuchtend wie überraschend einfach und - wie befürchtet werden muss - absolut zutreffend.

Wenn solche Kabarettisten nur wählbar wären - Claus von Wagner würde man gerne wählen dürfen!


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