Von Stephanie Kern
Hüffenhardt. Er hat sich vieles selbst beigebracht. Hochdeutsch zählt nicht dazu. "Die Mundart ist mir wichtig", sagt Karlheinz Reinmuth. Geboren im Jahr 1934, lebte Reinmuth bis zur Einschulung mit seinen Eltern auf einem Tankschiff. Sein Vater war aus Haßmersheim, ein Schiffsführer. Die Mutter kam aus Kälbertshausen. So entschied man sich zur Einschulung von Karlheinz Reinmuth für Hüffenhardt als neuen Lebensmittelpunkt.
1949 machte Reinmuth seinen Volksschulabschluss. "Aufs Gymnasium ging keiner aus meiner Klasse, obwohl es schon einige Kandidaten gegeben hätte", erzählt Reinmuth. Aber die Zugfahrt war in den letzten Kriegsjahren aufgrund der Fliegerangriffe zu gefährlich. So begann Reinmuth eine Ausbildung als Maler und Gipser. Doch schon im letzten Jahr vor der Gesellenprüfung besuchte Reinmuth eine private Handelsschule in Heilbronn. "Der Alte" haben seine Mitschüler ihn dort genannt. "Obwohl ich erst 18 war." Ausgebildet wurde er dort auch in Stenografie und an der Schreibmaschine. "Das war damals in", erzählt der 84-Jährige.
Seine erste Anstellung "im Büro" fand er bei der Germania Faltbootwerft in Neckarzimmern. Als einziger Mann unter Frauen kümmerte er sich um Schriftverkehr und Kundenanfragen. "Ich hatte überhaupt keine Ahnung von Booten und Zelten", sagt Reinmuth. Aber auch dieses Wissen erlernte er selbst. Zuerst diktierte ihm der Chef die Antworten auf Kundenfragen. "Nach einiger Zeit habe ich seine Ausführungen umformuliert", sagt Reinmuth. Es gefiel ihm nicht, wie der Chef schrieb. Als der dahinter kam, gab es kein Donnerwetter, sondern die Erlaubnis, die Briefe nun selbst zu beantworten. Zugute kam ihm dabei auch sein Lernwillen: Die Kundenfragen erreichten die Werft handschriftlich. So brachte er sich selbst bei, alte Handschriften zu lesen. "Ich bin auch froh, dass ich das kann", sagt Reinmuth.
Mit 21 Jahren folgte dann ein Arbeitsstellenwechsel nach Hüffenhardt: Ein alter Schulfreund von ihm war im Kornhaus beschäftigt, das auch als Spar- und Darlehenskasse fungierte. Da die Arbeit immer mehr zunahm, wurde er eingestellt. Dabei hatte er erst mal keine Ahnung von Landwirtschaft, und auch nicht von Bankgeschäften. "Jeder hat gemacht, was zu machen war", erzählt Reinmuth. Beide Angestellte waren für beide Bereiche zuständig. "Aber der Bankbereich ist immer umfangreicher geworden." 1958 zeigte sich dann, dass man Bankgeschäfte und Kornhaus trennen muss. Auch räumlich. Ein Genossenschaftshaus entstand, mit öffentlicher Waschmaschine, Tiefkühlfächern und auch Mosterei. Nach mehreren Fusionen wurde Reinmuth Leiter der Volksbank-Filiale in Hüffenhardt. "Das ist gut angekommen und wir waren sehr erfolgreich", so Reinmuth.
1968 wurde Reinmuth in den Gemeinderat gewählt und übernahm auch die Aufgaben als Bürgermeister-Stellvertreter. 26 Jahre lang (bis er 60 wurde) gestaltete er so die Geschicke Hüffenhardts mit. "Das war dann eine ganz andere Tätigkeit." Eine, bei der ihm sein Lernwillen und auch seine Bekanntheit im Dorf halfen. "Mit 60 habe ich gesagt, dass ich aufhöre", erklärt Reinmuth. Mit 63 räumte er auch seinen Posten in der Bank, ging in den Ruhestand. Bei der Verabschiedung war Bruno Herberich dabei, damals Bürgermeister von Hüffenhardt. "Was machen Sie jetzt?", hat er den Neu-Rentner gefragt. Herberich hatte einen Spezial-Auftrag für Reinmuth. Einen ganzen Raum voller alter Akten, alter Unterlagen und Schriftstücke. In der Gemeindeverwaltung hatte erstens keiner die Zeit, diese Papiere zu sichten und zu ordnen. "Zweitens konnte sie keiner lesen." Schon im Winter kribbelte es Reinmuth. "Ich geh‘ mal ins Rathaus rauf", sagte er zu seiner Frau.
Dann fing er an zu lesen. "Und dann habe ich festgestellt, dass vieles interessant ist", erzählt Reinmuth, der nun noch einmal lernte. Nämlich die Heimatforschung und einiges über die Geschichte Hüffenhardts. "Es ist wichtig, dieses Wissen weiterzugeben. Ich habe gemerkt, dass es immer mehr verschwindet", berichtet Reinmuth. Dass Hüffenhardt etwa eins ein reines "Bauerndorf" war. "Früher gab es hier 120 Milchlieferanten, inzwischen ist keine Kuh mehr im Ort", so Reinmuth. Und so leitete er schon drei Veranstaltungen der Volkshochschule und veröffentlichte auch ein kleines Büchlein über das "alte" Hüffenhardt. Darin findet sich auch ein kleines Hüffenhardt-Wörterbuch mit Übersetzung ins Hochdeutsche. "Hiffelde" steht darin für Hüffenhardt. Für Reinmuth bedeutet "Hiffelde" aber noch viel mehr. Heimat.