Von Debora Gruhler
Obrigheim. Handschuhe und Überschuhe an, Schutzhelm auf, weißer Kittel drüber und das Dosimeter in die linke Brusttasche - es ist ein ganz schönes Prozedere, will man in den Kontrollbereich des Kernkraftwerks Obrigheim (KWO) gelangen. Und das, obwohl die Anlage bereits seit 13 Jahren abgeschaltet ist. Zwar befinden sich im Atomkraftwerk keine Brennelemente mehr. Diese wurden letztes Jahr ins Zwischenlager nach Neckarwestheim gebracht. Trotzdem gilt weiterhin das Atomgesetz für die Anlage. Für Besucher heißt das: Ohne vorherige Anmeldung mit Personalausweisnummer und umfangreicher Schutzkleidung geht im KWO nichts.
Der Infotag im Kernkraftwerk Obrigheim am vergangenen Samstagnachmittag bot interessante Einblicke in die Anlage am Neckar. Seit etwa sechs Jahren informiert die Energie Baden-Württemberg (EnBW) unter dem Motto "Rückbau im Dialog" an ihren Kernenergiestandorten Philippsburg, Neckarwestheim und Obrigheim interessierte Bürgerinen und Bürger. In Obrigheim konnten sich Interessierte im Besucherzentrum über Planungsschritte, Abläufe, technische Details und den aktuellen Stand des Rückbaus informieren. Zwei Rundgängen boten zusätzliche Blicke in das Innere der Anlage und brachten den Teilnehmern den Fortschritt des Rückbaus näher.
Für Jana Waldenberger aus Obrigheim, die sich gemeinsam mit ihren Kindern für den Rundgang "Logistik und Entsorgung" angemeldete hatte, war es das erste Mal im KWO. "Mein Mann arbeitet hier und da wollten wird die Gelegenheit nutzen, uns das mal aus der Nähe anzusehen", sagt sie auf dem Weg zur Freimesshalle. Bereits zuvor hatte sie mit den anderen Teilnehmern die erste Sicherheitshürde mit Ausweischeck und Metalldetektor erfolgreich überwunden und durfte nun einen Blick auf die Anlage werfen.
Mit von der Partei war auch Heinz Döll, der die Gelegenheit nutze, seinen ehemaligen Arbeitsort noch einmal zu besichtigen. 28 Jahre lang hatte er im KWO als Schichtleiter gearbeitet, nun werde er angesichts des Rückbaus regelrecht wehmütig.
Teilbereichsleiterin Katja Döscher führte die Besuchergruppe über das Gelände und erklärte, wie das "Freimessen" im Bau 53 funktioniert. Präzise erklärte sie das Vorgehen und die Funktionsweise der Messanlage: Hier werde die Radioaktivität von Rückbaumaterial wie Bauschutt und Metallteile gemessen. Freigegeben werde nur Material, das den Grenzwert von maximal 10 Mikrosievert einhalte. Klar, dass bei diesem Thema schnell die Sprache auf die geplante Anlieferung von Bauschutt aus dem KWO auf die Deponie in Buchen kam.
Dementsprechend lag auch der Schwerpunkt im folgenden Vortrag von Jörg Michels, Chef der Kernkraftsparte der EnBW, auf dem Umgang mit den Abbaumassen. Es war ihm ein besonderes Anliegen, den Besucher das Freigabeverfahren von Bauschutt für die Deponierung zu erklären und eventuelle Verunsicherungen zu zerstreuen. "Sicherheit für Mensch und Umwelt ist gerade auch für uns, die hier Tag für Tag arbeiten, ein bedeutsames Thema", versicherte Jörg Michels.
Für Hans-Detlef Ott, Vorstandssprecher des Kreisverbandes der Grünen, der sich jahrelang kritisch mit dem Thema Atomenergie auseinandergesetzt hat, war der Besuch beim Infotag in gewisser Weise ein Abschluss. "Ich mache heute meinen (vorläufigen) Haken an diese Sache", erläuterte er, dennoch brauche es auch in Zukunft eine kritische Öffentlichkeit, die den Atomausstieg überwache.
Mit einer ganz anderen Perspektive hatten sich Horst und Marvin Möhler aus Ravenstein für den zweiten Rundgang zum Brennelementelagerbecken angemeldet. Das Vater-Sohn-Gespann interessiert sich für alles rund um Technik, und war vom Besuch im "Externen Nasslager" (Bau 37) angetan. Hier befindet sich das ehemalige Abkühlbecken, in dem verbrauchte Brennelemente für einige Jahre weiter gelagert wurden. Das Becken ist bereits größtenteils abgebaut, lässt aber mit seiner Tiefe von zwölf Metern und dem Hebekran noch die enormen Dimensionen erahnen.
Mindestens so interessant waren auch die Sicherheitsvorkehrungen im Kontrollbereich. Hinein ging es nur mit umfassender Schutzkleidung und durch mehrere Schleusen. Hinaus gestaltete sich der Weg um einiges aufwendiger: Gleich zwei Ganzkörper-Kontaminationsmonitore mussten die Besucher erfolgreich passieren, um aus dem Inneren des Kernkraftwerks wieder herauszukommen. Das bewirkte vor allem eines: ein Gefühl von Sicherheit.