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Krankenfahrten nicht mehr gezahlt: Wenn die Fahrt auf Kosten des Patienten geht

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Von Dominik Rechner

Mosbach. Michael K. hat viel durchgemacht in seinem Leben. Im August 1990 wurden bei ihm die chronisch entzündlichen Darmerkrankungen Morbus Crohn und Colitis ulcerosa diagnostiziert. Schubweise kommende, heftige Bauchschmerzen und blutiger Durchfall sind typische Symptome, an denen auch er jahrzehntelang litt.

"Der erste Blick, wenn ich früher außer Haus gegangen bin, war immer: Wo ist die nächste Toilette?", erklärt der heute 50-Jährige. Das sei mittlerweile dank des künstlichen Darmausgangs (in der Fachsprache Stoma genannt) besser. Unzählige Darmoperationen liegen hinter Michael K. Dank des Stoma und der Remicade-Infusion, einem speziellen Medikament, das er seit 2012 in der Uniklinik Mannheim ambulant verabreicht bekommt und welches die Entzündungen ausbremst, haben immerhin die schubartigen Schmerzen ein Ende. "Ich habe seitdem eine neue Lebensqualität", so K.

Selbst Auto fahren dürfe er jedoch nicht nach der Behandlung in Mannheim, da die Infusion Nebenwirkungen verursacht, wodurch er immer mit Schwindel zu kämpfen habe und extrem müde sei. "Die Ärzte haben mir ein Fahrverbot auferlegt." Bis zum vergangenen Jahr bezahlte seine Krankenkasse, die Audi BKK, die Krankenfahrten in die Uniklinik. "Dann hieß es Ende 2017, dass die Fahrt nach Mannheim ab Januar 2018 nicht mehr bezahlt wird."

Die Krankenkasse teilte K. mit, dass nur noch Fahrten zu dem seiner Wohnung nächstgelegenen Krankenhaus übernommen werden, das ist in K.s Fall die Neckar-Odenwald-Klinik Buchen. Dort will man ihn, so berichtet K., allerdings nur mit der Infusion behandeln, wenn er auch Patient der Klinik wird und alle seine Unterlagen von Mannheim nach Buchen wandern. Zudem wollte die Klinik nochmal alle Untersuchungen mit K. durchführen, die schon in der Uniklinik Mannheim mit ihm gemacht worden seien. "Ich habe nicht verstanden, warum ich das ganze Prozedere nochmals auf mich nehmen muss", sagt K. Außerdem sei er schon so lange Patient in Mannheim, dass er die Ärzte dort genau kenne und andersherum die Ärzte natürlich auch ihn. Deshalb fährt K. nun seit Anfang des Jahres, wenn ihn seine Eltern nicht fahren können, selbst nach Mannheim.

Obwohl er eigentlich nicht dürfte. "Aber was soll ich machen, wenn die Krankenkasse mir das nicht bezahlt?", sagt er. Zug fahren sei auch schwierig, denn er habe immer einen Notfallrucksack und Versorgung für sein Stoma dabei. "Wenn ich da etwas wechseln muss oder etwas passiert, ist es schwierig. Da ist es leichter mit dem Auto mal an einer Toilette an der Tankstelle anzuhalten."

Vor ein paar Wochen war wieder eine Operation wegen einer Fistel (röhrenförmige Verbindung zwischen einem Hohlorgan (hier dem Darm) und einem anderen Organ bzw. der Körperoberfläche) nötig. Seitdem muss Michael K. alle zwei Wochen selbst in die Uniklinik nach Mannheim zur Wundkontrolle fahren. Dazu kommt seit der neuerlichen OP jeden Tag morgens und abends der Pflegedienst. "Momentan muss ich sogar mindestens einmal pro Woche nach Mannheim, weil ich Probleme nach dieser OP habe", sagt Michael K. Und das, obwohl er eigentlich gar nicht fahren dürfte. K. habe mehrere Gespräche mit der Audi BKK geführt, ohne Erfolg. Begründung: Die hohen Fahrtkosten nach Mannheim könnten nicht mehr bezahlt werden. Mittlerweile hat er zusammen mit der VdK Klage beim Sozialgericht Mannheim eingereicht, Ausgang ungewiss. Auf Nachfrage der RNZ bei der Audi BKK zu den Gründen, warum man die Fahrten nicht mehr bezahlt, wollte die Krankenkasse aus "datenschutzrechtlichen Gründen" keine Auskunft erteilen.

Bis 1996 arbeitete K. bei Audi, nach einer Umschulung für zwei Jahre beim DRK. Nach einer erneuten Umschulung hoffte er, einen Job als Kaufmann im Gesundheitswesen zu bekommen, doch niemand stellte ihn ein. Ein Vollzeitjob geht aufgrund seiner Erkrankung ohnehin schon lange nicht mehr. Seit 2007 bekommt er die volle Erwerbsminderungsrente. Damit und mit der Ehrenamtspauschale, die er vom DRK für das Ausfahren des "Essens auf Rädern" erhält, kam er bisher einigermaßen über die Runden. Doch diese Tätigkeit kann K. aufgrund der jüngsten OP momentan auch nicht ausüben. "Wenn ich nicht bald wieder das Essen ausfahren kann, wird es finanziell schwierig", befürchtet Michael K..


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