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Neunkirchen: Landwirte fühlen sich übergangen

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Von Noemi Girgla

Neunkirchen. Für Unmut sorgt in Neunkirchen derzeit die geplante Flurneuordnung: eine Aufklärungsveranstaltung dazu wird am kommenden Donnerstag, 9. Mai, um 19 Uhr in der Turnhalle der Grundschule in Neunkirchen stattfinden.

Bereits 2011/12 stand ein solcher Plan im Raum und traf schon damals auf massive Gegenwehr. Eine Unterschriftenaktion wurde gestartet, in der sich zahlreiche Grundstückseigentümer gegen die Flurbereinigung aussprachen. Bei der Gemeinde jedoch stieß diese Aktion, nach Aussage der Landwirte, auf "wenig Interesse". Dennoch wurde das Vorhaben vorläufig auf Eis gelegt, bis Bürgermeister Bernhard Knörzer sich des Themas erneut annahm. Seine Absicht ist, die Strukturen für die Landwirtschaft zu verbessern. In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt in seiner Funktion als untere Flurneuordnungsbehörde ist durch die Flurneuordnung eine Verbesserung der Produktions- und Arbeitsbedingungen in der Land- und Forstwirtschaft geplant. Auch der Förderung der allgemeinen Landeskultur und der Landentwicklung soll das Verfahren zugute kommen.

Die Landwirte sehen dieses Anliegen mehr als skeptisch. Schon nach dem dritten im Vorfeld von der Gemeinde veranstalteten Workshop war klar, dass aus ihren Reihen nicht mit Zustimmung zu rechnen war. Aus ihrer Sicht, ist die Gemarkung Neunkirchen schon jetzt in extrem hohem Maße ökologisiert. Weitere ökologische Maßnahmen halten sie für nicht zielführend und glauben nicht an eine grundlegende Verbesserung, die nach dem Flurbereinigungsgesetz das erklärte Ziel einer Flurneuordnung sei. Des Weiteren fühlen sie sich bei der Entscheidungsfindung übergangen. Sollte es tatsächlich zu einer Flurneuordnung kommen, haben sie mit Flächenverlusten von ein bis zwei Prozent zu rechnen, die für Wege, Gewässer und Landschaftspflegemaßnahmen genutzt werden sollen. "Nach unserer Meinung hält das Wegenetz noch gut 20 Jahre", äußert sich Walter Leibfried, einer der hauptberuflichen Landwirte in Neunkirchen. Er und fünf andere sind die Hauptbetroffenen der anstehenden Neuordnung. "Die Fläche, die wir bewirtschaften macht ca. 80 Prozent aus", erklärt Walter Leibfried.

Wilhelm Leibfried, ein weiterer Landwirt, spricht sogar von einem "enteignungsähnlichen Eingriff". Zu keiner Zeit sei den Landwirten ein Mitspracherecht eingeräumt worden. Eine demokratische Abstimmung habe es nie gegeben. Eine solche ist im Flurbereinigungsgesetz einfach nicht vorgesehen. Jahrelang habe sich die Gemeinde nicht um die Instandhaltung der Wegflächen (Fahrbahnen) gekümmert. Dieses Versäumnis dürfe nun nicht auf dem Rücken der Landwirte ausgetragen werden, ist die einhellige Meinung. Zwar hieß es im letzten Gespräch mit der Flurbereinigungsbehörde, dass es für einige, von der Gemeinde ausgewählten Wegebaumaßnahmen auch die Möglichkeit einer "kleinen Flurbereinigung" gebe, weiter verfolgt wurde das jedoch nicht.

Eine andere Befürchtung der Bauern, sollte es zur Flurneuordnung kommen, ist eine massive Pachterhöhung. Für die Finanzierung der Flurneuordnung werden Zuschüsse vom Land in Höhe von 85 Prozent erwartet, die restlichen 15 Prozent der Kosten trüge die Teilnehmergemeinschaft. Da sich die Gemeinde Neunkirchen bereit erklärt hat, Teile dieser Kosten zu übernehmen, bliebe ein Eigenanteil von 150 Euro pro Hektar an Flurbereinigungsbeitrag zu leisten. Die Landwirte sind sich sicher, dass die ca. 450 betroffenen Eigentümer gewiss nicht auf diesen Kosten sitzen bleiben wollen und sie auf die Pacht umrechnen werden. Auch gehen sie davon aus, dass mit der Neuordnung die Tür für auswärtige Pächter geöffnet würde, die ihrerseits zur Erhöhung der Pachtpreise beitrügen.

"Wir sind nicht einfach nur ein paar alte Bauern, die sich gegen die Neuerung sperren", betont Walter Leibfried. "Bei jedem Gespräch zu diesem Thema saß auch die junge Generation mit am Tisch und brachte sich ein. Wir haben alle die gleichen Zukunftsbefürchtungen."

"Es wurde von Anfang an nicht mit offenen Karten gespielt", geht der Vorwurf an die Gemeinde. "Zu Anfang hieß es, es seien 800 Hektar betroffen, jetzt ist die Rede von 1317 Hektar. Viele wussten und wissen immer noch nicht, dass sie überhaupt betroffen sind, waren daher nicht bei den Infoveranstaltungen und werden jetzt vor vollendete Tatsachen gestellt", resümieren die Bauern.

"Viele, gerade ältere Menschen, trauen sich auch nicht, gegen die Flurneuordnung aufzubegehren", fügt eine Landwirtin hinzu. Und weiter: "Alles, was uns jetzt noch bleibt, ist so viel Unmut wie irgendmöglich am Donnerstag zu äußern und klar zu machen, dass wir nicht damit einverstanden sind." Und Walter Leibfried gibt noch zu bedenken: "Zu Anfang hatte der Bürgermeister gemeint, er fühle sich verpflichtet, die Gemeinde aufzuklären, aber wenn er merke, man komme zu keiner Einigung, werde das Buch zugemacht. Davon will jetzt aber keiner mehr was wissen."

Info: Die vorläufige Karte der betroffenen Gebiete kann im Internet unter www.lgl-bw.de/3655 eingesehen werden.


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