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Flüchting Frederick Egharevba über seine Erlebnisse in Mosbach

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Mosbach. Groß ist das Engagement vieler Menschen für Flüchtlinge, nicht zuletzt auch hier in Mosbach und im ganzen Neckar-Odenwald-Kreis. Doch nicht alle verstehen die Menschen, die aus weit entfernten Ländern zu uns gekommen sind - nicht zuletzt, weil diese teilweise nur schlecht deutsch sprechen. Doch auch die Mentalität anderer Nationen löst bei manchen Einheimischen Unverständnis aus. Vor diesem Hintergrund freut sich die Mosbacher Redaktion der RNZ, dass sich Frederick Egharevba an sie wandte. Der Nigerianer studierte in seiner Heimat Kommunikationswissenschaften und veröffentlichte immer wieder Artikel im Internet. Mehrfach sei er dort erpresst und bedroht worden. Als auf ihn geschossen wurde, floh er schließlich nach Deutschland. Zurzeit wohnt er mit 178 weiteren Flüchtlingen im Elzpark. Seit Kurzem hat er einen sogenannten Ein-Euro-Job bei der Volkshochschule Mosbach, dort sortiert er ältere Akten. Gegenüber der RNZ äußerte er den Wunsch, in einem Artikel seine Sicht auf seine Erlebnisse in Mosbach niederschreiben zu dürfen - stellvertretend für viele weitere Flüchtlinge. RNZ-Redakteur Christian Beck hat seinen auf englisch verfassten Text übersetzt und behutsam gekürzt: Am 10. März wurde ich nach Mosbach gebracht. Auf der Busfahrt waren ich und 60 weitere Flüchtlinge überglücklich. Wir hofften, dass wir in einem richtigen Haus untergebracht werden. Die Stimmung veränderte sich, als wir in die Zeltunterkunft geführt wurden, in der nun 179 Menschen aus Nigeria, Gambia, Togo und Kamerun leben. Viele von uns waren ein wenig besorgt, wie wir an diesem Tag aufgenommen werden würden. Der Empfang gestaltete sich jedoch sehr gut: Eine kleine Party wurde von Melissa Klingmann, der Leiterin der Unterbringung, sowie der Sozialarbeiterin Lisa Mechler und einigen uns wohlgesinnten Mosbachern organisiert, darunter Elisabeth Laade, Christina Engelfried, Peter Krieger und Andrea Zorn. Das Leben in der Unterkunft war jedoch niemals leicht. Die Bewohner hatten Schwierigkeiten, sich miteinander zu arrangieren. Es gab gegenseitige Verdächtigungen. Kulturelle und traditionelle Verschiedenheiten sorgten für Streit. Die meisten von uns können erst spät einschlafen, da manche Männer bis spät in die Nacht sehr laut Musik hören. Sicherheitspersonal muss hier öfter für Ruhe sorgen. Einige der Flüchtlinge erklären, dass die Musik sie von ihren Problemen ablenkt. Meine Integration geschieht schrittweise. Seit wir in Mosbach angekommen sind, bringen uns Ehrenamtliche Deutsch bei. Ich nehme dies sehr ernst. Unbedingt erwähnt werden müssen die Mosbacher, die ihre wenige freie Zeit damit verbringen, bei uns vorbeizukommen, um uns willkommen zu heißen. Christina Engelfried, die Vorsitzende des Ältestenkreises der Stiftsgemeinde, war für uns alle wie eine Mutter. Ich habe ihr in der Küche geholfen, und wir haben zusammen alles vorbereitet, damit Besucher an Samstagen Kaffee und Tee im Martin-Luther-Haus trinken können. Dort kommen wir mit Mosbachern in Kontakt. Viele von ihnen brachten uns Kleidung, was uns gerade am Anfang sehr half, da viele von uns mit nur wenigen Kleidungsstücken hier ankamen. Marlies Betzwieser hat mich und weitere Flüchtlinge in den Gottesdienst eingeladen. Sie und andere Menschen haben mir sehr bei der Integration geholfen, haben wie eine Familie nach mir geschaut. Während des Frühlingsfests lud mich Marlies Betzweiser ein, ehrenamtlich am Stand der Kolpingfamilie mitzuarbeiten. Dies half mir, viele Menschen zu treffen und kennenzulernen. Menschen, die meine Arbeit schätzten und mir freundlich gesinnt waren. Ich konnte mittlerweile einige deutsche Freunde gewinnen. Sie helfen mir, mich zu integrieren, indem sie mich zu Treffen einladen und mich zu Ausflügen mitnehmen. Sie helfen mir, mein Deutsch zu verbessern und zeigen mir die hiesigen Gepflogenheiten. Sie sind sehr gut zu mir und behandeln mich wie einen Bruder. Sie ermuntern mich, geduldig zu sein und erklären mir, dass die deutsche Regierung uns wohlgesonnen ist. Für viele Leute war das Leben in unserer Unterkunft schwer, schließlich haben die wenigsten so etwas wie eine Flucht schon einmal erlebt. Die Situation bringt körperliche und seelische Belastungen mit sich. Aber die Gnade Gottes hat mir geholfen, dies durchzustehen. Meine freie Zeit verbringe ich mit lesen und freiwilliger Arbeit. Einige von uns haben bei Gartenarbeiten an der Abenteuergolfanlage "Inputt" geholfen. Zusammen mit einigen anderen helfen wir, Fußballspiele zwischen den vier Nationen Nigeria, Kamerun, Togo und Gambia zu organisieren. Hier bin ich der Trainer der nigerianischen Mannschaft. Der MFV stellt uns jeden Mittwoch den Platz zur Verfügung, um dort zu trainieren. Sehr dankbar sind wir dem Mosbacher Lions Club: Vor Kurzem besorgten sie uns ein richtiges Fußballtor, Trikots und einen Fußball. Elisabeth Laade hat uns eine Plattform vermittelt, den Mosbachern unsere Musik zu präsentieren. Ich mache bei unserer Musikgruppe mit. Bei zwei Auftritten konnten wir einige Leute mit unserer Musik und unseren Tänzen begeistern, zuletzt auf dem Frühlingsfest. Ich danke der deutschen Regierung dafür, dass sie mir in Mosbach Unterstützung gewährt. Ich bemühe mich, schnell deutsch zu lernen und mich in die Kultur zu integrieren. Die Einheimischen haben sich meiner bereitwillig angenommen und mir so viel Liebe entgegen gebracht. Ich hoffe, dass ich hier eine gute Arbeit finden kann, die mich ausfüllt und dazu beiträgt, dass ich länger in diesem Land bleiben kann. Zuguterletzt würde mir dies helfen, die bitteren Erfahrungen aus meiner Heimat hinter mir zu lassen. Mosbach, ich grüße Dich.

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