Von Heiko Schattauer
Aglasterhausen. Und dann muss es plötzlich ganz schnell gehen: Wenn die Erntezeit erst mal begonnen hat, dann ist in der Landwirtschaft Tempo gefragt. Hat die jeweilige Frucht ihre Reife erreicht, muss sie schnellstmöglich runter vom Feld, rein in den Mähdrescher, ab in den Schlepperhänger und von dort wieder ratzfatz in den Lagerspeicher des nahe gelegenen Agrarzentrums. Wie dieser Weg begangen wird, das demonstrierten die Beteiligten nun am Freitag beim (in)offiziellen Auftakttag für die Erntesaison im Ländle. Zum praktischen "Feldversuch" vor Ort kam man auf Einladung des Verbands der Agrarwerblichen Wirtschaft (VdAW) in Aglasterhausen zusammen, um dort den "Weg des Getreides vom Feld bis zur Gosse" nachvollziehbar zu machen.
Den Startpunkt hätte man dabei kaum besser wählen können. Den Ernteauftakt mitsamt einführenden Worten vollzog man im Dorf mit der wohl höchsten Mähdrescherdichte im gesamten Land. Im Aglasterhausener Ortsteil Daudenzell kommen auf knapp 350 Einwohner fast 50 der mächtigen Landmaschinen. Die gehören allesamt Zimmermännern. Die Mähdrescher der beiden benachbarten Lohnunternehmen Friedrich und Wilhelm Zimmermann fahren ab sofort wieder die Ernte ein, in einem riesigen Gebiet, "von Miltenberg bis Bruchsal, von Tauberbischofsheim bis Ludwigshafen", wie David Zimmermann, Geschäftsführer des Lohnunternehmens Wilhelm Zimmermann, schildert.
Zur praktischen Erntevorführung, die sich auch die beiden Geschäftsführer der Kreisbauernverbände Neckar-Odenwald und Rhein-Neckar - Andreas Sigmund und Rolf Berger - und Aglasterhausens Bürgermeisterstellvertreter Kurt Gallion nicht entgegen lassen wollten, blieb man in heimischen Gefilden. Hermann Merz, seit 40 Jahren für das Lohnunternehmen Zimmermann aktiv, steuerte seinen 580 PS starken Claas "Lexion" auf ein Wintergerste-Feld des Aglasterhausener Landwirtschaftsbetriebs Schwarz. Die Presse durfte ausnahmsweise sogar mit an Bord, die ersten Bahnen auf dem fünf Hektar großen Acker mitziehen, die Ernte (zumindest einen kleinen Teil davon) mit einfahren.
Keine fünf Minuten dauert es, bis Merz das zuvor angehängte, gut neun Meter breite Schneidwerk an seinen Mähdrescher angekoppelt hat, um dann wie beim Rasenmähen seine Bahnen auf dem Feld zu ziehen. Hinter dem Führerhaus mit Lenkrad und Joystick (er ersetzt u.a. Gas- und Bremspedal) füllt sich Meter für Meter der Getreidebunker. "Wenn das Sichtfenster bis oben mit Getreide zu ist, dann ist der Bunker ungefähr halb voll", erklärt Merz mit Blick auf die kleine Glasscheibe hinter ihm. Den genauen Füllstand seines Mähdrescherbunkers sieht er auf einem LED-Display. Neun Tonnen fasst der Speicher, "vier- bis fünfmal", so Merz, wird er ihn auf den bereitstehenden Schlepperhänger von Christoph Schwarz entleeren müssen, bis die Ernte hier vollständig eingefahren ist. Übrig bleibt vor Ort am Ende nur der sogenannte Strohschwad, der im Nachgang zu Rundballen gepresst wird.
Das Getreide selbst ist dann längst schon weiter gewandert. Sobald der Hänger am Feld voll ist, geht’s nämlich direkt zum Landhandel. In Aglasterhausen hat man da das Glück der kurzen Wege. Zehn Minuten nach der Ernte rieselt die Wintergerste vom Schwarz’schen Feld nämlich schon in die Schüttgosse am Agrarzentrum Barth. "Von hier aus geht das Getreide durch die Reinigung und über die Waage direkt in einen Speicher", schildert Volker Erne gestenreich das Auf und Ab auf dem weiteren Verarbeitungsweg des Ernteguts in der Kreuzmühle. Je nach Marktlage wird das Getreide mehr oder weniger zügig weiter gehandelt. In den Hochzeiten der Erntesaison werden pro Stunde rund 80 Tonnen Getreide im Agrarzentrum verarbeitet, berichtet Erne. Und dann geht es auch mal durcheinander: "Es gibt Tage, da sind alle möglichen Getreidesorten dabei. Auf jedem Fahrzeug ein anderes Produkt", so der Agrarhändler. "Wenn er Gas gibt, sind wir gefordert", schildert Erne mit Blick auf David Zimmermann die Abläufe in der Erntezeit.
"Die engen Zeitfenster erfordern eine schlagkräftige Erntekette", weiß auch Dr. Brigitta Hüttche, geschäftsführendes Vorstandsmitglied des VdAW. "Urlaub ist in der Erntezeit kein Thema", sagt auch Hermann Merz. Auf ihn und seine Kollegen auf den Mähdreschern wartet noch viel Arbeit - bis die Ernte tatsächlich eingefahren ist.
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