Von Ursula Brinkmann
Oberschefflenz. Was für ein Ereignis eine Drillingsgeburt in Oberschefflenz im Jahr 1937 war, das lässt sich unter anderem daran ablesen, dass eine Zeitung im 250 Kilometer entfernten Singen (und wahrscheinlich noch andere Blätter) darüber berichteten. In Singen jedenfalls erfuhr ein Onkel von Adelheid, Gertrud und Irmgard Eberhard aus der Zeitung, dass seine Schwester Rosa Eberhard in Oberschefflenz drei Mädchen zur Welt gebracht hatte. Mitten im Winter, in beengten Wohnverhältnissen, was keine einfache Sache war, wuchs die Familie des Schneidermeisters Karl Eberhard und seiner Frau Rosa, der Hebamme, auf einen Schlag auf sieben Köpfe. Der Großvater der drei Neugeborenen soll von einem "Unglück" gesprochen haben…
Irmgard, die Jüngste, heute mit Nachnamen Gedemer, wurde für einige Jahre zur damals noch kinderlosen Tante Hilda gegeben, doch gab es zwischen den nahe beieinander lebenden Familien ein reges Hin und Her. "Sonntags sind wir immer gemeinsam spazieren gegangen", erinnert sich Irmgard ohne einen Anflug von Ausgestoßensein. Überhaupt haben die Schwestern das Meiste in ihrem Leben immer so genommen, wie es gerade kam. Und es kam durchaus hart. Gertrud, die als Mittlere das Licht der Welt erblickte und heute Nonnenmacher heißt, verlor den ersten Mann, fand den zweiten und hat - wie ihre Schwester Irmgard - fünf Kinder, je ein Mädchen und vier Buben. Die beiden bilden innerhalb des Trios übrigens noch eine besondere Einheit - als eineiige Schwestern.
Das sieht man auf allen Bildern: Irmgard und Gertrud sind einander nicht nur wie aus dem Gesicht geschnitten, sondern haben ähnliche Lebensläufe und Vorlieben. Adelheid, die Erstgeborene, ging von Anfang an eigene Wege, war von ihren Drillingsschwestern zu unterschieden, ließ sich zur Fotolaborantin ausbilden, verließ alsbald das heimatliche Bauland und lebt heute in Fürth bei Nürnberg. Den 80. Geburtstag verbringt sie im sonnigen Nizza bei ihrer einzigen Tochter. Doch sei es keineswegs so, beteuern ihre Schwestern, dass man sich nicht sehe. "Hier in Oberschefflenz."
Die beiden jüngeren Drillingsschwestern sind einander zwar sehr ähnlich, können sich aber nicht erinnern, dass nicht jede als eigenständige Person wahrgenommen wurde. "In der Volksschule haben sie uns immer beim richtigen Namen genannt", weiß Gertrud. Nur später, da beide ihrer Wege gingen, die aber in Oberschefflenz, sei es beim Metzger oder in der Bank immer mal wieder zu Verwechslungen gekommen: "Sie waren doch gerade eben erst da!" Beide haben nicht nur große familiäre Aufgaben gemeistert, sondern sich ins Gemeinde- und Vereinsleben eingebracht, insbesondere der katholischen Gemeinde, deren Kirchenchor sie seit 65 bzw. 55 Jahren angehören. Befragt nach dem größten Unterschied zwischen ihnen beiden, schauen sich die 80-Jährigen an und schütteln die Köpfe. Es fällt ihnen keiner ein.
Seit die Nachricht von den "Drillingen aus Oberschefflenz" vor 80 Jahren die Runde machte, wurde Adelheid Hofbeck, Gertrud Nonnenmacher und Irmgard Gedemer mit schöner Regelmäßigkeit mediale Aufmerksamkeit zuteil - seit die drei 50 wurden, kamen die Presseleute zu Besuch, zum dreifachen 70er sogar das SWR-Fernsehen. Was moderne Medien angeht, steht zumindest eine nicht hintan: Irmgard Gedemer hat seit zehn Jahren eine eigene E-Mail-Adresse und kennt sich mit dem Computer aus.
Zusammen haben die drei Schwestern heute 23 Enkel und vier Urenkel. "Drei weitere sind gerade im Anmarsch", hat Irmgard Gedemer den Überblick. Ob sie denn nicht manchmal durcheinander komme? Doch da gibt’s kein Verwechseln! Nur eines wundert Irmgards jüngsten Sohn Thomas: Dass in den nachfolgenden Generationen nicht einmal Zwillinge auftauchen. "Dodevoor sind wir Drillinge", kommt es energisch und spontan aus Tante Gertruds Mund.