Quantcast
Channel: Mosbach
Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199

Allfelder Firma beweist: "Einen Flüchtling einzustellen, ist sehr einfach"

$
0
0

Von Christian Beck

Allfeld. Rund 100 Beschäftigte arbeiten bei der Firma Fischer Elektromotoren in Allfeld. Und seit einigen Monaten auch drei junge Asylbewerber aus dem Irak. Im Gespräch mit der RNZ schildert Geschäftsführer Peter Fischer, wie es dazu kam, ob das Projekt funktioniert und was er anderen Unternehmern rät.

Herr Fischer, Mitte Februar bekam der erste von mittlerweile drei Asylbewerbern in Ihrer Firma eine Stelle. Wie kam es dazu?

Unsere Mitarbeiterin Cornelia Kautzsch engagiert sich im Asylkreis Billigheim. Sie hatte angefragt, ob die Flüchtlinge einmal den Betrieb besichtigen können. Bei dieser Führung durch meinen Betrieb erkannte ich: Das sind junge Männer, die wir brauchen können. Also haben wir zunächst einen eingestellt.

Das hört sich sehr einfach an.

Das war auch einfach. Wir haben einen neuen Mitarbeiter eingestellt.

Einige Unternehmer klagen über Papierkrieg, gerade wenn es um Zuschüsse geht.

Auf Zuschüsse haben wir verzichtet. In Zusammenarbeit mit dem Landratsamt wurde die Arbeitserlaubnis ausgefüllt, und nach wenigen Tagen war das mit den Papieren dann erledigt. Ab diesem Zeitpunkt war das für uns ein normales Arbeitsverhältnis.

Gibt es keine Sprachbarriere?

Doch. Wir haben aber von Anfang an klar gestellt, dass Deutsch gelernt werden muss. Bei der Arbeit mit deutschen Kollegen geht das aber recht schnell. Und Fachbegriffe lassen sich nachschlagen. An einem Arbeitsplatz liegt eine Liste mit Übersetzungen auf der Werkbank.

Wie sind nun Ihre Erfahrungen mit den irakischen Angestellten?

Sehr positiv. Dem ersten Asylbewerber haben wir einen Kollegen im Betrieb als Betreuer zugeteilt. Nach Einarbeitung und selbstständiger Arbeit haben wir einen zweiten eingestellt, und der Erste war dessen Betreuer. Und beim Dritten funktionierte es genauso.

Was genau arbeiten die Drei?

Sie bauen Elektromotoren zusammen.

Hatten sie Vorkenntnisse?

Einer ein wenig. Aber das ist nicht so wichtig. Sie werden schrittweise an die Arbeit herangeführt. Wenn ich einen Lehrling einstelle, hat dieser am Anfang auch keine Kenntnisse, dem muss man doch auch alles beibringen.

Häufig wird davon gesprochen, dass Asylbewerber eine Ausbildung machen sollten.

Ja, so heißt es oft. Aber meiner Meinung nach ist das nicht das Wichtigste. Das kann doch am Anfang gar nicht funktionieren. Wir sollten uns einmal in die Lage der Flüchtlinge hineinversetzen!

Wie meinen Sie das?

Wenn wir in ein fremdes Land kommen würden, wären wir doch zunächst einmal auf das Wohlwollen anderer angewiesen. Diese Menschen sprechen nicht gut Deutsch und erfahren häufig keine Wertschätzung. So kann eine Ausbildung nicht gut funktionieren.

Was empfehlen Sie?

Die Leute sollen erst einmal arbeiten, als angelernte Kräfte. Dabei erhalten sie eine Wertschätzung und verdienen ihr eigenes Geld. Das bewirkt ein positives Selbstwertgefühl, dass sie vorwärts kommen und sich leichter integrieren.

Und dann?

Dann sprechen sie besser Deutsch, haben unsere Arbeitsweise verinnerlicht und vielleicht etwas Geld gespart. Dann entstehen doch Wünsche. Sie können den Führerschein machen, sich ein Moped oder ein Auto kaufen und sind mobil. Und dann können sie vielleicht eine Ausbildung machen. Außerdem kommt noch etwas Wichtiges hinzu.

Das wäre?

Die Fachkenntnisse. Aufgrund der Sprachnachteile hat es ein Ausländer in der Schule immer schwerer. Wenn er dann von seinem Ausbildungsberuf keine Ahnung hat, wird er wahrscheinlich ein schlechter Schüler sein. Hat er aber schon Kenntnisse und schreibt bessere Noten, ist er doch motiviert und bringt seine Ausbildung auch zu Ende. Und nach ein oder zwei Jahren Arbeit und drei Jahren Ausbildung ist jemand integriert. Und das ist für den Menschen und die Unternehmen gut.

Viele Unternehmen beschäftigen jedoch keine Flüchtlinge.

Das stimmt. Und das verstehe ich nicht. Überall wird gejammert, es gebe keine Fachkräfte! Aber hier gibt es doch massenhaft arbeitswillige Menschen.

Meinen Sie, das klappt auch in anderen Bereichen?

Warum denn nicht? Auf Großbaustellen arbeiten doch schon seit Jahren fast nur Ausländer. Sämtliche Handwerksberufe könnten Verstärkung gebrauchen. Und dort könnte die Integration viel besser gelingen, denn die Firmen sind häufig kleiner und der Kontakt unter den Kollegen ist unmittelbarer.

Viele Geschäftsführer halten es offenbar für ein zu großes Wagnis, Flüchtlinge einzustellen.

Mag sein. Aber wo ist denn das Risiko? Wenn ich jemanden einstelle, ist das immer ein Wagnis. Bei jedem muss man sich am Anfang Mühe geben und dann schauen, wie es läuft. Man muss doch jedem eine Chance geben.

Sie haben drei Irakern eine Chance gegeben. Wie klappt es mittlerweile?

Gut. Das Arbeiten funktioniert. Über die Zusammenarbeit und die Pausen kommen sie gut mit anderen Kollegen ins Gespräch und entwickeln sich.

Es hätte sich aber auch weniger positiv entwickeln können.

Das stimmt. Ich war mir am Anfang auch nicht sicher, ob das Vorhaben gelingt. Aber ich dachte, wir probieren es.

Was sagt eigentlich die restliche Belegschaft zu den neuen Kollegen?

Ich habe im Vorfeld einige Gespräche geführt. Mir war wichtig, dass ich die Belegschaft mitnehme. Und nach zwei, drei Tagen war die Akzeptanz da.

Jüngst berichteten wir, dass die Iraker zum Jahresende aus Billigheim wegziehen sollen. Das beträfe auch die drei Männer, die in Ihrer Firma arbeiten. Wie stehen Sie dazu?

Hier habe ich bereits mit dem Bürgermeister gesprochen, der Unterstützung signalisiert hat. Wenn nötig, werde ich mich auch an andere Verantwortliche wenden. Ich setze mich für meine Mitarbeiter ein, das ist doch selbstverständlich.


Viewing all articles
Browse latest Browse all 8199