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Symphonisches Blasorchester Binswangen in Mosbach

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Von Peter Lahr

Basel/Mosbach. Er spielt das schweizerischste aller Instrumente. Verlässt mit dem Alphorn aber gerne ausgetretene Pfade und ist in der Alten Musik ebenso zuhause wie im Zeitgenössischen. Am Sonntagabend spielt Martin Roos zusammen mit dem Sinfonischen Blasorchester Binswangen in der Alten Mälzerei (18 Uhr). Im RNZ-Interview erklärt er nicht nur die Ursprünge des "Hirtenhorns". Auch den Weg zum perfekten Ton beschreibt er - und weshalb er als Zwilling gerne auf ganz verschiedenen Hochzeiten tanzt.

Beim Begriff ‚Schweiz’ fallen einem spontan Käse, Schokolade, Heidi, Berge und ein Taschenmesser ein. Aber auch das Alphorn gilt als Symbol der Schweiz. Für Sie eine schöne Grundvoraussetzung oder eher eine Belastung? Was fasziniert Sie an dem Instrument am meisten?

Für mich ist das ein Geschenk, das ich dankbar annehme. Wir Schweizer sind reich beschenkt durch die vielfältige und großartige Landschaft. Das Alphorn füllt den Raum in Bergen und Tälern auf besonders berührende Weise.

Sie haben ja erst Horn studiert, dann Naturhorn und eben auch Alphorn. Wann haben Sie das erste Mal ins Alphorn geblasen? Warum haben Sie nicht mehr damit aufgehört, zu spielen?

Als 16-Jähriger wurde ich durch meinen damaligen Hornlehrer dazu verführt, ein Alphornbesitzer zu werden. Tatsächlich haben viele kleine Schritte meinen Weg ausgemacht. Die Liebe zum Klang war vom ersten Moment an voll da - und dauert und dauert…

Trotz oder wegen seiner eher einfachen Bauart ist das Alphorn ja schwer zu blasen. Es verfügt weder über Klappen, Züge oder Ventile, sondern gestattet nur Naturtöne. Welchen Tonumfang können Sie auf Ihrem Alphorn erzeugen? Wie entsteht der perfekte Ton?

Wie jedes Instrument braucht das Alphorn Zeit, die der Bläser sich nimmt, um den ‚perfekten Ton’ zu erarbeiten. Die Lippen lernen zu ‚singen’. Das ist das eine. Dann ist es wichtig, sich auf die spezielle Intonation der Naturtonreihe einzustellen und eine möglichst genaue Klangvorstellung zu entwickeln. Danach klappt’s auf wunderbare Art und Weise.

Das Alphorn zählt zwar zu den Blechblasinstrumenten. Mittlerweile gibt es aber auch eine leichtere Kunststoff-Variante zum Holz. Für Sie eine Alternative? Auf was für einem Instrument spielen Sie am liebsten?

Ich liebe mein Carbon-Alphorn, wenn ich auf Reisen bin oder auf den Wanderungen in den Bergen. Es ist handlich und leicht. Konzerte kann ich mir allerdings nur auf dem ‚richtigen’ Holz-Alphorn vorstellen.

Die erste urkundliche Erwähnung eines Alphorns geht auf das Jahr 1527 zurück. Dennoch scheint die ursprüngliche Funktion der ‚Hirtenhörner’ unklar. Es gibt Deutungen als Signalhorn, um die Kühe von den Weiden in den Stall zu rufen. Oder man wollte damit die Kühe beim Melken beruhigen. Bis heute beliebt sind die Freiluft-Abendgebete. Denkbar wäre auch der Einsatz als Kommunikationsmittel der Senner in Vorhandyzeiten. Welche Variante ist für Sie die überzeugendste?

Der Alphornklang in den Bergen ist so überzeugend, dass ich glaube, das In-strument wurde neben seiner Funktion als Hirtenhorn, wie von Ihnen richtig beschrieben, auch als quasi Gebet zwischen dem Hirten und der Natur gebraucht. Sozusagen ‚nach oben gerichtet’. Eher als ‚nach unten ins Tal’.

Sie lernten zwar das Alphorn in seiner ursprünglichen Weise kennen, gingen dann aber neue, eigene Wege damit. Welche Musik ist für sie spannendste Alphorn-Musik?

Ich liebe vor allem diesen berührenden und beruhigenden Klang. Dass dieser gerade auch bei Dissonanzen genau so bleibt, gefällt mir ungemein. So bin ich offen für verschiedenste Stile. Am wenigsten mag ich Bearbeitungen von Stücken, welche eine temperierte Stimmung voraussetzen.

Sie spielen in Mosbach mit dem Sinfonischen Blasorchester Binswangen zusammen. Wie kam der Kontakt zustande?

Eine alte Freundschaft zwischen dem langjährigen leidenschaftlichen Hornisten des Sinfonischen Blasorchesters Binswangen, Günter Gräfe, welcher ja seit 20 Jahren die Konzerte in Mosbach quasi im Alleingang organisiert.

Die klassische Alphorn-Literatur ist ja etwas begrenzt. Obwohl schon Leopold Mozart eine ‚Sinfonia Pastorella’ komponierte. Sie spielen in Mosbach die ‚Sinfonetta Alpestre’ ihres Landsmannes Jean Daetwyler. Wie würden Sie das Werk charakterisieren?

Daetwyler schreibt wunderschön und lässt das Alphorn in verschiedenen Facetten erklingen: ruhig meditativ, als Rufer in der Natur, im Dialog mit Orchester und der Soloflöte, manchmal gar etwas unheimlich oder archaisch, aber auch leicht und tänzerisch.

Was muss man beachten, wenn man nicht draußen in den Bergen, sondern drinnen in einem Konzertsaal spielt?

Dass man mit den andern im Takt spielen sollte... und dass es gelingt, den HörerInnen etwas von der Atmosphäre der Berge mitzuteilen.

Sie decken stilistisch eine enorme Bandbreite ab. Scheinen in der Alten Musik ebenso zuhause zu sein wie bei modernen Projekten, Stichwort ihr Trio ‚Stück für Stück Alphorn Eigenart’. Sie verbinden Folk und Klassik, Zeitgenössisches und Archaik. Wie wurden Sie zu solch einem Brückenbauer über Genregrenzen hinweg?

Ich glaube, das ist Charaktersache. Als Zwilling tanze ich gerne auf verschiedenen Hochzeiten. Ich freue mich, zu spielen, wo ich auch mitgestalten kann. Dies wäre mit einer Festanstellung in einem städtischen Orchester wohl schwieriger.

Der Nachwuchs liegt Ihnen ebenfalls am Herzen. Verfassten sie doch mit "Alphorn for kids" das erste Lehrbuch für junge Spieler. Wie kamen Sie auf die Idee? Wie ist die Resonanz? Lernen damit auch Erwachsene?

Mit den Jahren wuchs eine Sammlung von Stücken, welche ich für meine kleinen SchülerInnen im Unterricht komponiert hatte. Da es bis dahin wirklich nichts Kindgerechtes an Unterrichtsliteratur gab, kam die Idee der Veröffentlichung auf. Mit Hilfe von guten Freunden wurde das Projekt sehr schnell konkret. Die Resonanz ist sehr gut. Ich weiß schon von einigen glücklichen Alphornkindern.

Und: ja, Erwachsene können auch sehr gut damit arbeiten. Insbesondere Einsteiger sind froh um konkrete Aufgaben, welche schon etwas mehr als bloße Übungen sind.


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