Mosbach. In den vergangenen Wochen erreichten den Nabu vermehrt Meldungen, dass die zu dieser Jahreszeit üblichen Vögel am Futterhäuschen oder im Garten vermisst werden. Die Gründe sind noch unklar. Das geht aus einer Mitteilung des Naturschutzbundes hervor. Beim Vergleich mit entsprechenden Erfassungsdaten der Vorjahre wurde festgestellt, dass einige Arten wie Kohl- und Blaumeisen, aber auch Eichelhäher und Amseln in diesem Jahr deutlich weniger häufig gemeldet werden.
Als Ursache wird dabei oft ein Zusammenhang mit der derzeit in den Medien sehr präsenten Geflügelpest vermutet. Hier kann der Nabu aber Entwarnung geben: "Singvogelarten werden generell nicht von der aktuellen Form der Vogelgrippe befallen, und auch die betroffenen Wildvogelarten, meist Wasservögel oder Aasfresser, sterben lediglich in so geringen Zahlen, dass Auswirkungen auf die Gesamtpopulationen nicht feststellbar sind."
Die Zahlen der gefiederten Gäste an Gartenfutterstellen können im Verlauf des Winters stark schwanken. Gibt es dann Phasen, an denen im eigenen Garten nichts los ist, wird schnell ein allgemeines Vogelsterben befürchtet. Vor allem wenn über Vogelkrankheiten - neben der Vogelgrippe auch das Amselsterben durch das Usutu-Virus und das Grünfinkensterben - in diesem Jahr viel berichtet wurde.
Die aktuellen Hinweise sprechen aber dafür, dass tatsächlich derzeit weniger Vögel in Gärten zu sehen sind. "Eine umfassende Erklärung dafür gibt es bisher jedoch nicht", so der Nabu. "Wahrscheinlich ist, dass viele Vögel derzeit in den Wäldern aufgrund eines guten Baumsamenjahres und anhaltend milder Witterung noch genug Nahrung finden, und deshalb bisher Futterstellen in Gärten weniger nutzen." Die milden Temperaturen könnten auch dafür gesorgt haben, dass es bisher nur wenig Zuzug aus dem Norden und Osten Europas gab. Nicht zuletzt könne aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass heimische Gartenvögel in diesem Jahr aufgrund widriger Witterung weniger Junge aufziehen konnten.
Nicht zu unterschätzen sind aber weitere Faktoren wie die zunehmend intensivierte Landwirtschaft oder der Einsatz von Pestiziden wie Neonicotinoide, die die Lebens- und Ernährungsbedingungen von Wildvögeln dramatisch verschlechtern. Gerade der im zu Ende gehenden Jahr 2016 sehr auffällige Mangel an Fluginsekten kann vielen Vogelarten besonders in kritischen Phasen wie einem nasskalten Frühjahr zusätzliche Nachteile bringen. "Nahezu alle Singvögel sind in der Fortpflanzungsphase auf Insektennahrung angewiesen", erläutert der Nabu. "In Europa leben heute rund 450 Millionen Vögel weniger als noch vor drei Jahrzehnten und die Roten Listen werden immer länger." Um den qualitativen und quantitativen Verlust der Vögel aufzuhalten oder gar wieder umzukehren, reichten die bisherigen Anstrengungen der Politik zum Schutz der Biodiversität und insbesondere der Vögel bei weitem nicht aus.
Aufschluss über das Fehlen der Vögel und seine Hintergründe kann die große Mitmachaktion der "Stunde der Wintervögel" geben: Vom 6. bis 8. Januar 2017 findet sie zum siebten Mal bundesweit statt. Der Nabu ruft Naturfreunde auf, eine Stunde lang die Vögel am Futterhäuschen, im Garten, auf dem Balkon oder im Park zu zählen und dem Nabu zu melden. Um Bestandszunahmen oder -abnahmen feststellen zu können, hofft die Naturschutzorganisation gerade in diesem Jahr auf eine rege Beteiligung bei Deutschlands größter wissenschaftlicher Mitmachaktion.
Der Nabu Mosbach bietet zur "Stunde der Wintervögel" am Sonntag, 8. Januar, einen vogelkundlichen Rundgang durch das Ikone-Gelände am Neckar an. Treffpunkt ist um 10 Uhr am Verkehrsübungsplatz hinter dem Neckarelzer Messplatz.