Von Christian Beck
Haßmersheim. "Wir haben gewonnen, ich bin so glücklich!", erzählt Heike Werner. Und die Freude ist der Haßmersheimerin deutlich anzusehen. Verantwortlich dafür ist ein Urteil, dass der Bundesgerichtshof vor kurzem gefällt hat: Nach einem achtjährigen Rechtsstreit ist eine Operation, an deren Folgen die lebenslustige Frau beinahe ums Leben gekommen wäre und sie schwer gezeichnet hat, nun als schwerer Behandlungsfehler anerkannt. Heike Werner möchte mit ihrem Fall anderen Menschen Mut machen und zeigen, dass es durchaus möglich ist, sich gegen falsch behandelnde Ärzte zur Wehr zu setzen.
Ausgangspunkt der traurigen Geschichte mit erfreulichem Ausgang waren starke Rückenbeschwerden der damals 45-Jährigen. Verantwortlich dafür waren ihre großen Brüste. Heike Werner entschloss sich zu einer Brustverkleinerung, die von der Krankenkasse bezahlt wurde. Sie wendete sich deshalb an das Brustzentrum Mainz.
Kurz nach der Operation entzündeten sich die Narben jedoch. Über sechs Wochen hinweg verschlechterte sich Heike Werners Zustand immer mehr. 23 Mal wurde sie operiert, doch die Entzündung hat ihre Brüste regelrecht zerfressen. Ihre Brustmuskeln sind nicht mehr vorhanden, auch der Bauchbereich hat bleibende Schäden davon getragen. Kurz vor dem Leberversagen wurde sie schließlich in die Berufsgenossenschaftliche Unfallklinik Ludwigshafen verlegt. Dort verabreichten die Ärzte kein Antibiotika mehr, sondern Cortison. Und innerhalb von zwei Tagen ging es Heike Werner besser. Ihr Mann erfuhr schließlich, dass die Ärzte die Behandlung viel früher hätten umstellen müssen. Laut einer dort tätigen Ärztin hätte seine Frau so beide Brüste behalten können. Man riet ihm, einen Anwalt aufzusuchen.
"Viele aus meinem Kollegen- und Bekanntenkreis haben mir damals gesagt, ich hätte da eh keine Chance", erinnert sich Jürgen Werner. Und in der Tat: Immer wieder sah es nicht gut aus. Die Versicherung des Mainzer Klinikums argumentierte stets, dass Heike Werner für die gesundheitlichen Schäden selbst verantwortlich sei, da sie eine Autoimmunerkrankung habe. Diese war jedoch das erste Mal nach der OP ausgebrochen und war der Haßmersheimerin zuvor selbst nicht bekannt.
Und es folgten weitere Tiefschläge: Eine Gutachterin der Krankenkasse bescheinigte Heike Werner "persönliches Pech", ohne sie jemals gesehen oder gar untersucht zu haben. Der Anwalt der Gegenseite nannte sie bei Prozessen nicht beim Namen, sondern sprach stets von einer Nummer. Und verschickte über Jahre hinweg Briefe voller "Frechheiten und Unverschämtheiten", wie sich Familie Werner erinnert. "Die wollten uns hinhalten und zermürben. Das waren harte acht Jahre", berichtet Jürgen Werner. Doch die Haßmersheimer wollten nicht aufgeben. Durchgehalten habe sie nur aufgrund des großen Rückhalts in ihrer Familie und ihrem Freundeskreis, berichtet Heike Werner. "Man muss jemanden an seiner Seite haben. Sonst hält man das nicht durch", erklärt sie.
Das Ehepaar ist froh, dass sie nun einen Schlussstrich unter die Angelegenheit ziehen können. Dass die Versicherung des Klinikums nun für alle Folgekosten aufkommen muss, freut die Werners. Doch sie betonen, dass es ihnen vor allem um die Gerechtigkeit geht. Sie wollen andere, die unter vergleichbaren Fällen leiden, dazu ermuntern, sich zu wehren. "Viele Menschen glauben, dass das nicht möglich ist. Aber es geht", erklärt Jürgen Werner bestimmt. Und er und seine Frau sind gerne bereit, ihre gesammelten Erfahrungen mit allen zu teilen.