Von Ursula Brinkmann
Hüffenhardt-Kälbertshausen. "Jetzt wird’s heiß, richtig heiß." Seit neun Uhr morgens brennt das Holzfeuer, draußen die Sonne. Drei Stunden später öffnet Bruno Reutter die Backofentür und zieht mit einer Aschekrücke die Glut aus dem Backraum des Holzofens; die glühenden Holzstücke fallen in die Aschekästen. Die Schamottesteine haben nun die richtige Temperatur: 320 Grad. Zeit, dass die bereit liegenden Brotteiglinge eingeschossen werden.
Ein Dutzend sind es an diesem Samstagmittag am Backhaus in Kälbertshausen. "Platz ist für bis zu 20 Laibe", erklärt Reutter, dessen Gesicht fast so rot ist wie die Latzhose, die er trägt. Und dann kommen die Hobbybäcker, Männer zumeist, und reichen Rainer Schmidt an, was sie daheim geknetet und geformt haben. Längliche oder runde, mit Kernen bestreute oder mit Rübensirup verfeinerte Brotlaibe. Schmidt ist gelernter Bäcker und kommt aus Bargen mit seinem Ein-Kilo-Rohling. Er stürzt die Teige aus ihren Formen auf den Einschießer, jenes langstielige Gerät, mit dem die Laibe ihrem heißen Aufenthaltsort zugeführt werden. Dann heißt es: gesellig warten, etwa ein Stunde lang.
Holzofen-Brotduft breitet sich aus. Bei dem schönen Wetter haben sich die Samstagsbäcker auf Bierbänken draußen niedergelassen und genehmigen sich das dazu passende Getränk, erzählen einander den neuesten Dorftratsch oder wetteifern um das beste Rezept. "Mein erstes Modell war platt wie ’ne Flunder", erinnert sich Rudolf Hartjens aus Kälbertshausen. Inzwischen hat er den Bogen raus und weiß, wie ein Brot seine Form behält. "Unser erstes Stück war knüppelhart, damit hätte man jemanden erschlagen können", witzeln Kathrin und Martin Wagner aus Hüffenhardt, die fast von Anfang an dabei sind. Wie die meisten Teiglinge wiegt auch ihr Brotlaib etwa ein Kilo, und es enthält ein wenig Kartoffeln. "Die machen die Krume saftig", sagt Kathrin Wagner.
Außen jedoch sollen die Brote eine krosse Kruste und mit ihr das typische Röstaroma bekommen, und das gelingt im Holzofen am besten. Nach einer guten Dreiviertelstunde prüft Bäcker Schmidt mit einem fachmännischen Klopfen auf dieselben, ob die Brote fertig sind. Mit dem Einschießer wird eines nach dem anderen aus dem nun "nur" noch 220 Grad heißen Schlund geholt und Platz gemacht für Gebäcke, die bei geringeren Temperaturen garen. "Hefeteig auf Blechen eignet sich hervorragend", schaltet sich Paula Sommerfeld ein. Ihre Enkelinnen Nele und Lou Abel tragen zwei Bleche Zwiebelkuchen zum Ofen, Bruno Reutter strahlt. Ein Rhabarberstreuselkuchen kommt noch hinterher, dann heißt’s: erneut warten. Doch das ist - mit all seinen sozialen Aspekten - für manchen hier der zentrale Punkt. Dirk Hartjens, der seinem Vater heute zum zweiten Mal zum Backhaus gefolgt ist, versucht es zunächst mit einer Fertigbackmischung. "Für mich zählt die Dorfgemeinschaft."
Neles und Lous Vater, Wolfgang Abel, wagt schon ein bisschen mehr, hat dem Teig eine Zwiebel-Kräuter-Mischung beigemengt. Dieser und der Duft der anderen heißen Brotlaibe auf dem Backhaustisch liegen verheißungsvoll in der Luft. Als sich dann die Backofentür zum nächsten Mal öffnet und die Blechkuchen hinausgezogen werden, wird es ganz und gar verführerisch; Paula Sommerfeld spendiert den einen der beiden Zwiebelkuchen der Runde und nimmt den anderen mit nach Hause.
Ist die Hitze im Holzofen innerhalb von einer Stunde um 100 Grad gesunken, so verlangsamt sich dieser Vorgang nun deutlich. "In einem Brotbackofen", erklärt Spezialist Reutter, "wird im Gegensatz zum Pizzaofen ja nicht nachgefeuert." Dass sich mit der "Resthitze" aber Köstlichkeiten ganz anderer Art zubereiten lassen, zeigt die Nutzung des Kälbertshäuser Backhauses durch Jäger. "Die haben eine Wildschweinkeule am Abend des Einheiztages eingeschoben, und am Abend des nächsten Tages gab es wunderbar zartrosafarbenen Braten."
Wohltätig sei des Feuers Macht, beginnt der Richtspruch, mit dem das Backhaus einst eingeweiht wurde und fährt fort: "wenn sie der Mensch bezähmt bewacht". Die "Wohltätigkeit" des Kälbertshäuser Backhauses liegt in mehr als nur dem Brot…