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Weigle-Orgel in Sulzbach: Die "kleine Schwester" klingt wieder riesig

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Von Peter Lahr

Sulzbach. "Heute wird es keine Möglichkeit zum Spenden geben. Lehnen Sie sich zurück und genießen Sie." Mit dieser ungewöhnlichen Aufforderung begrüßte Pfarrer Oliver Schüle am Sonntagabend an die 150 Gäste in der evangelischen Kirche Sulzbach, darunter auch die Bundestagsabgeordnete Dorothee Schlegel. Mit einem festlichen Konzert wollte man den zahlreichen Spendern danken, die es ermöglicht haben, dass die 35 Jahre alte Weigle-Orgel nicht nur ausgereinigt wurde, sondern auch um ein "Fagott 16 Fuß Register" erweitert werden konnte. Letzteres hat allein gut 10.000 Euro gekostet. Innerhalb von nur drei Monaten wurden über Pfeifenpaten und Spender 14.000 Euro gesammelt.

Musikalisch übernahm Kirchenmusikdirektor Bernhard Monninger den Löwenanteil des Programms. Doch auch Silvia Helmstädter und Doris Strammer griffen (gleich vierhändig) in die Tasten. Die beiden Musikerinnen hatten bereits in ihrer Jugend auf der Sulzbacher Orgel gespielt. Als Sängerin ergänzte Simone Egolf das kleine Fest-Ensemble. Und Pfarrer Oliver Schüle, der früher lange einen Posaunenchor geleitet hatte, ließ es sich nicht nehmen und griff ebenfalls wieder einmal zu seinem geliebten Instrument.

"Sie ist weiblich, vom Klang eher weicher, runder geworden, das Fundament klingt jetzt etwas männlicher." So beschrieb Orgelbaumeister Friedemann Güldner die "Persönlichkeit" der über 30-jährigen Orgel. "Ich durfte die Orgel anliefern, weil ich als einziger mit dem Anhänger umgehen konnte", erinnerte sich der Fachmann, der schon als junger Handwerker mit der Sulzbacher Orgel zu tun hatte. Beeindruckt zeigte sich Güldner auch von der ersten Begegnung mit Pfarrer Schüle: "Das war der erste Pfarrer, den ich in Gummistiefeln sah", erinnerte er sich - damals hatte gerade ein Unwetter den Keller des Pfarrhauses überschwemmt. "Man braucht für jeden Ton eine einzelne Pfeife. Also für die 30 Töne 30 Pfeifen. Und eine Pfeife kostet zwischen 150 und 800 Euro", erläuterte der Experte, weshalb das neue Register auf den ersten Blick so viel Geld kostete. Die Finanzen waren wohl auch ursprünglich der Grund für den Verzicht gewesen.

Da sich auch beim Orgelspiel der Zeitgeschmack in den letzten 35 Jahren geändert habe, wurde der Ton nun etwas modifiziert: "Damals klangen die Orgeln sehr spitz und obertönig. Jetzt dürfen auch die Grundregister wieder ein Eigenleben führen", beschrieb Güldner das Resultat. Deshalb könne man auf dem Instrument nun gleichermaßen gut französische und barocke Orgelmusik spielen - was das Konzert unschwer bewies.

Auf eine "nahe Verwandte" verwies Oliver Schüle. Denn 1983 erhielt die Mosbacher Stiftskirche ihre Weigle-Orgel. Damit wurde die Sulzbacher zur "kleinen Schwester".

Wie opulent und mächtig diese klingen kann, zeigte Bernhard Monninger bereits mit Nicolas Bruhns (1665-1697) "Praeludium e-moll" auf. Glanzvolle Strahlen leuchteten über massiven Basslinien. Vierhändig und sehr harmonisch intonierten Silvia Helmstädter und Doris Strammer Anton Höffners (um 1700) "Sonate in C". Auch den finalen "Ausreißer" brachten sie zu Gehör, nämlich John Philip Sousas (1845-1932) volkstümlichen Marsch "The Washington Post" - einst komponiert für einen Aufsatzwettbewerb. Henry Purcells (1659-1695) "Suite in F-Dur" ließ Orgel und Posaune elegant und tänzerisch durch die Luft schweben. Im "Largo" häuften die beiden dunkle Gewitterwolken an. Mit bleischweren Flügeln marschierte César Francks (1822-1890) "Andantino" in die Manege und eröffnete neue Horizonte.

Drei "Biblische Lieder" von Antonín Dvorák präsentierte Simone Egolf voller Emotion. Als zeitlichen uns stilistischen Gegenpol hatte sie Johann Ludwig Krebs’ (1713-1780) Choralbearbeitung "Komm, Heiliger Geist, Herre Gott", gewählt. Gemeinsam sang die Konzertgemeinde das Abendlied "Bleib bei mir, Herr".


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