Von Heiko Schattauer
Neckarwestheim/Obrigheim. Der erste Transport ist durch, der Ärger geht weiter. Während am Mittwochabend die ersten drei Castorbehälter mit Brennelementen aus dem Atommeiler Obrigheim (KWO) am Kernkraftwerk Neckarwestheim "landeten", beschloss der dortige Gemeinderat, noch einmal gerichtlich gegen die Transporte vorzugehen. Die Gemeinde Neckarwestheim legt Beschwerde ein gegen die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Berlin - das hatte am 20. Juni einen Eilantrag der Zwischenlager-Gemeinde gegen die Transportgenehmigung abgelehnt. Nun soll sich das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg der komplexen Streitsache annehmen.
Unabhängig von den gerichtlichen Schritten haben auch Umweltverbände und -Aktivisten weiteren Widerstand gegen die Transferpläne der EnBW angekündigt. Der Premierenfahrt vom Mittwoch sollen noch vier weitere Transporte folgen, allesamt noch dieses Jahr.
"Trotz Geheimniskrämerei und kurzer Vorlaufzeit ist uns und anderen ein starker Protest gelungen, und wir werden wiederkommen, so lange es Atommüll-Transporte gibt", prophezeit man beim Bündnis "Neckar castorfrei" und bringt sogar Sepp Herberger mit ins Spiel: "Nach dem Castor ist vor dem Castor!"
Das Zeitfenster dazwischen will die Gemeinde Neckarwestheim nutzen, um weitere Transporte abzuwenden. Mit der Beschwerde beim OVG verfolge man das Ziel, Einsicht in die "geheimen" Unterlagen zum Sicherheitskonzept der Transporte zu erhalten. Dies sei in der kommenden Instanz mit einem "in-camera-Verfahren" möglich, bei dem nur die Richter ("in der Kammer") vertrauliche Unterlagen zu sehen bekommen, so Bürgermeister Jochen Winkler: "Es muss aus Sicht der Kommune nachgewiesen werden, dass die Fragen und Bedenken der Gemeinde Neckarwestheim im Bereich der Sicherheit berücksichtigt sind".
Die Urteilsbegründung des Verwaltungsgerichts zur Ablehnung des ersten Einspruchs gegen die Transportgenehmigung kann Winkler nicht akzeptieren, zumal das Gericht ja die Rechtmäßigkeit der Zulassung explizit offen gelassen habe.
"Eine Beschwerde hätte keine aufschiebende Wirkung", erklärt Christiane Scheerhorn vom OVG auf Nachfrage, zur Verfahrensdauer könne sie noch keine Angaben machen, zumal ja noch keine Beschwerde vorliege. Die durchschnittliche Bearbeitungszeit von Eilverfahren liege jedoch bei rund zweieinhalb Monaten, sagt die Gerichtssprecherin.
Abseits der gerichtlichen Betrachtung arbeitet man bei der Polizei den ersten Großeinsatz zum umstrittenen Atommülltransfer auf. Die wurde beim ersten Transport von findigen Aktivisten "überrascht", vor allem mit der Protestaktion an der Brücke in Bad Wimpfen. "Ziel der Aktivisten war es, auch sich und ihre Anliegen aufmerksam zu machen, das haben sie geschafft, das ist unstrittig", räumt Carsten Diemer, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Heilbronn gegenüber der RNZ ein. Die Sicherheit des Transportschiffs selbst sei aber zu keiner Zeit gefährdet gewesen. Als die Atomkraftgegner von der Polizei entdeckt wurden, sei der Schubverband noch ein ganzes Stück von der Brücke entfernt gewesen. "Wir werden in einigen Einsatzbereichen Verbesserungen vornehmen", so der Polizei-Pressesprecher weiter. Das Gesamtkonzept zur Transportsicherung sei aber durchaus aufgegangen und werde auch bei kommenden Transfers wohl in ähnlicher Form und Intensität angewendet.
Bei der EnBW zeigte man sich am Tag nach dem ersten Transport sehr zufrieden: "Die sichere Machbarkeit eines solchen Transports hat sich bestätigt". Teil der Überwachung waren auch radiologische Messungen, die während des Transports "keine Auffälligkeiten" gezeigt hätten. Das baden-württembergische Umweltministerium hatte bereits am Transporttag verlauten lassen, dass die Strahlenmessungen an der Strecke einen "einwandfreien Ablauf" bestätigten. Beim Bündnis "Neckar castorfrei" hat man offenbar andere Maßstäbe: Eigene Messungen am Ufer hätten bei Vorbeifahrt des Transports "einen massiven Anstieg der Neutronenstrahlung" ergeben.
So oder so richtig liegt das Bündnis mit der Devise "Nach dem Castor ist vor dem Castor": Bei der EnBW laufen die Vorbereitungen für den zweiten Castor-Transport auf dem Neckar bereits an.