Von Peter Lahr
Mosbach. "Europa darf nicht scheitern", auf diese Kernaussage könnte man das Anliegen der Initiative "Pulse of Europe" verdichten. Am Sonntag luden die überparteilichen Verfechter eines geeinten und lebendigen Europas auf den Mosbacher Marktplatz zu einem ganz besonderen "Familientreffen" ein. In Windeseile hatten die Aktivisten eine riesige Kaffeetafel aufgebaut und mit über einem Dutzend selbstgebackener Kuchen eingedeckt. Vier Bundestagskandidaten verschiedener Parteien mimten die "Erbtanten", wie es Andreas Klaffke in seinem humorvollen Regelwerk zur Aktion beschrieb. Über 80 interessierte Bürger und neugierige Passanten nutzten die Gunst der Stunde und schufen im Handumdrehen eine sehr lebendige soziale Plastik, die daran erinnerte, dass Europa an erster Stelle aus Menschen besteht.
"Seit vorgestern ist unsere U 21 Europameister. Gestern haben wir den ersten europäischen Staatsakt erlebt. Und heute europäisieren wir in Mosbach das Kaffeetrinken", beschrieb Klaffke seinen Eindruck, dass plötzlich alles europäisch werde. Die "versammelte Familie" bat er, nett zueinander zu sein, was kritische Fragen nicht ausschließe. Den "Erbtanten" legte es der "Hausherr" nahe, von Herzen ehrlich zu sein und keine vorbereiteten Wahlkampfreden abzuspulen. Um die Gäste vor einer "Fressnarkose" zu bewahren, hatten die findigen "Pulsgeber" mit dem Saxofonisten Nicolai Pfisterer einen sehr musikalischen Taktgeber auserkoren. Dieser gab jeweils nach einer Viertelstunde das Signal zum Tisch- und Gesprächspartnerwechsel. "Verzeihen Sie mir die Erbtantisierung und bleiben Sie geschmeidig", gab Klaffke der Kaffeetafel mit auf den Weg. Sein letzter Tipp: "Und denken Sie daran, alles Porzellan, das Sie zerbrechen, ist Ihr eigenes."
"Cooles Bild, die Leute kommen ins Gespräch miteinander", freute sich schon nach wenigen Minuten eine Organisatorin über die angeregte Kaffeeklatschstimmung. Die entdeckten Lieblingskuchen lockten an die diversen Tafeln, an denen sich die einzelnen "Erbtanten" schon gesetzt hatten. "Europa ist für Deutschland wie …", diesen Satz hatten die Kandidaten bereits im Vorfeld vervollständigt. "… wie der FC Bayern München für Thomas Müller. Ohne das Team könnte er keinen Titel gewinnen", gab sich Dr. Jens Brandenburg, FDP-Kandidat im Wahlkreis Rhein-Neckar, sportlich. Er vertrat die hiesige Kandidatin Carina Schmidt.
Das Bild vom sicheren Dach über dem Kopf fand Charlotte Schneidewind-Hartnagel (Bündnis 90/Die Grünen). Leider seien gerade ein paar Dachziegel runtergefallen. "Aber wir bauen es gemeinsam weiter." Dass die "Pulsgeber" auch im ländlichen Raum Zeichen setzten, fand sie "großartig, richtig toll und unheimlich ambitioniert". Einen herzlichen Dank entrichtete die Politikerin mit Landtagserfahrung den vielen Bäckerinnen. Lustigerweise hat die Kandidatin auch für ihren eigenen Wahlkampf die private Kaffeetafel entdeckt: "Sie können mich in Küche, Hof oder Garten einladen, dann können wir einfach mal anders über Politik reden."
Für die SPD-Bundestagabgeordnete Dr. Dorothee Schlegel stellte Europa "die Chance auf Frieden, Freiheit und Sicherheit" dar - "und auf eine Zukunft mit Perspektiven". Bei Kaffee und Kuchen diskutierte sie "quer durch Europa". Vom Brexit bis nach Griechenland ging es aber nicht nur bei ihr. Bei der Frage nach einer europäischen Regierung riet Schlegel zu einem langen Atem: "Das geht sicher nicht von heute auf morgen."
"Ich bin ein flammender Europäer", betonte der direkt gewählte CDU-Bundestagskollege Alois Gerig. Europa empfand er wie "eine große Familie." Man halte zusammen, auch wenn sich mal einer nicht so benehme, wie man es sich wünsche. "Wir Deutschen müssen seit jeher mehr Power und Initiative für Europa einsetzen, denn wir haben die größten Vorteile von Europa." Deshalb müsse man auch alles tun, um Populismus abzudrängen und die Menschen wieder für Europa zu begeistern. Was am Sonntag ganz elegant gelang.
Fi Info: Die nächste Mosbacher Aktion von "Pulse of Europe" ist erst nach den Sommerferien, am Sonntag, 17. September, geplant.