Von Peter Lahr
Mosbach. Im Mittelalter wurden sie aus der technischen Not geboren, mittlerweile stellen sie eine eigenständige Kunstgattung dar. Die Rede ist von Bleiglasfenstern. Mit Didier Quentin aus Mosbachs französischer Partnerstadt Château-Thierry stellt einer der profiliertesten Meister der Glasmacherkunst in der Stiftskirche aus. Im Rahmen eines Gottesdienstes gestalteten Dekan Folkhard Krall und Clemens Kaiser am Sonntag die gut besuchte Vernissage.
Da es vor der Erfindung des Flachglases unmöglich war, ein großes Fenster aus nur einem Stück Glas herzustellen, behalfen sich findige Handwerker eines Kunstgriffs. Sie verbanden die kleinen Glasstücke mithilfe von Bleiruten und löteten das Ganze an den Kanten. So entstanden zunächst großflächige Kirchenfenster. Zur Zeit der Kathedralen war das Bleiglasfenster ein absolutes Muss.
Auch im 21. Jahrhundert haben die durchsichtigen Kunstwerke nichts von ihrer Brisanz verloren, wie heftige Bilderstreite um Kirchenfenster in Heidelberg und Heilbronn zeigen. Ganz entspannt ging es dagegen am Sonntagvormittag in der Stiftskirche zu.
"Die kräftigen Töne im Rot des Glases sowie die scharfen Grenzen, die trennen", fielen Dekan Krall beim Blick auf die Exponate ins Auge. Gleichwohl fügten sich bei der Gesamtschau alle Kontraste zu einem harmonischen Ganzen. "Das Licht haucht den Farben Leben ein", beschrieb Didier Quentin die besondere Faszination, die die Glasfenster auf ihn ausüben. Eine Lieblingsfarbe habe er zwar nicht. Doch es ist klar für ihn, dass er sich mit seinem Beruf einen Kindheitstraum erfüllt hat: "Es ist das schönste Handwerk, aber nicht immer leicht."
Zusätzlich zum städtischen Partnerschaftskomitee, das am Sonntag Wilfried Pape sowie Europakoordinatorin Ursula Geier vertraten, engagiert sich Clemens Kaiser von St. Cäcilia seit Jahrzehnten für die kirchlichen Beziehungen zur Partnergemeinde an der Marne. "Als wir letzten Herbst Didier Quentin in seinem Atelier besuchten, waren wir alle begeistert", erinnerte er sich an das erste Treffen. Begeistert war auch der Künstler von der Idee, in der Stiftskirche auszustellen. Denn er verbindet sehr schöne Erinnerungen mit Mosbach: "Als ich mit 16 oder 17 Jahren in Mosbach war, hat man mich herzlich aufgenommen, deshalb wollte ich meine Dankbarkeit gegenüber den Menschen hier zeigen." Und ganz charmanter Franzose, fügte er lächelnd hinzu: "Mit dem Herz bin ich in Mosbach geblieben - mit 40 Jahren Unterbrechung."
Seit 1982 führt Didier Quentin eine eigene Werkstatt. "Fifty-fifty", beantwortete er die Frage nach dem Verhältnis von Restaurierungen und eigenständigen Arbeiten. In der Kathedrale von Meaux, aber auch im Geburtshaus von Jean de la Fontaine hat er die Fenster restauriert. In der Markthalle und im Rathaus der Partnerstadt konnte er eigene Kreationen umsetzen. Kirchen, Schlösser und historische Gebäude zählen zu seinen Wirkungsstätten.
"Ich gebrauche die alten Techniken, um etwas Neues zu schaffen", erklärte Quentin den besonderen Reiz seiner freien Arbeiten. Das Unbewusste dürfe sich dann freie Bahn brechen. Eine kleine Ideenskizze genüge meist als Vorlauf. Ein gutes Anschauungsstück bildete eine orangefarbene Fläche. Der obere Teil erscheint als reiner Farbklang. Den unteren Teil hat Quentin mit einem krakeligen Grisaillemuster überzogen. "Hier treffen sich Jackson Pollock und der Surrealist André Masson", kommentierte der Künstler das Werk. "Was man schreibt und nicht versteht, ist ja besonders interessant."
Mit zwei Kleintransportern ist Didier Quentin angereist. Er zeigt Objekte aus den letzten zehn Jahren und maßstabsgerechte Modelle. Einblicke in die Arbeitsweise erlauben didaktisch angeordnete Exponate und eine Diashow.
Fi Info: Die Ausstellung ist bis 31. Juli zu sehen. Die Kirche ist während der Gottesdienste und Konzerte sowie werktags von 13 bis 17 Uhr geöffnet.