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Mosbacher Stiftskirche: Eine Mahnung zur Toleranz

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Von Peter Lahr

Mosbach. Mit reichlich politischer Prominenz eröffnete die Landsmannschaft Schlesien am Montagabend in der Mosbacher Stiftskirche die Wanderausstellung "Kirchfahrer, Buschprediger, betende Kinder", die pünktlich zum großen Luther-Jahr "500 Jahre evangelisches Leben in Schlesien" darstellt. "Ich bin stolz darauf, dass Sie bei uns sind", begrüßte Organisator Hans Beckert Minister Peter Hauk, MdL Georg Nelius und Landrat Dr. Achim Brötel persönlich. Letzterer hatte zudem das Amt des Schirmherren übernommen. Den einleitenden Vortrag hielt Dr. Rudolf Kamp. Musikalisch begleitete Hans-Joachim Neugebauer die Vernissage - mit Kirchenliedern schlesischer Provenienz.

"Wo der Geist des Herrn ist, da ist Freiheit", begrüßte Folkhard Krall als Hausherr die knapp 100-köpfige "Gemeinde". Der Dekan des evangelischen Kirchenbezirks Mosbach bedankte sich explizit bei Hans Beckert dafür, dass er die Ausstellung nach Mosbach geholt habe - Mosbach ist einer von nur drei westdeutschen Präsentationsorten.

Worum es in der Ausstellung mit ihren 15 großformatigen Textilbannern im Grunde gehe, sei weniger die lückenlose Darstellung historischer Fakten, betonte Rudolf Kamp. Es gehe vielmehr "um Menschen und die Höhen und Tiefen des Glaubenslebens." In einem so anschaulichen wie komprimierten "Parforceritt" ließ der ehemalige VHS-Leiter die fünf Jahrhunderte schlesischer Religionsgeschichte Revue passieren. Statt Kolonnen von Jahreszahlen und Ereignissen, zeigte Kamp historische Umbrüche und Entwicklungslinien auf.

Auch wenn Luther persönlich nie in Schlesien war, so gehörte das Land zu den ersten, die sich der Reformation öffneten. So entstand in Liegnitz 1526 die erste protestantische Universität Europas. Auch die drei Begriffe aus dem Titel der Schau erläuterte der Redner. So begaben sich im 17. Jahrhundert, dem Zeitalter der Gegenreformation, viele schlesische Protestanten auf sonntägliche "Kirchfahrt", um eine evangelische Predigt hören zu können. Auch in den Wäldern hielt man unter freiem Himmel Gottesdienste ab - womit die "Buschprediger" erklärt wären. Als im 18. Jahrhundert die Habsburger gezwungen waren, ihre Religionspolitik zu ändern, kamen über 100 ehemals ev. Gotteshäuser wieder zurück an die Lutheraner. Im ganzen Land kam es in der Folge zu einer religiösen Massenbewegung - mit Andachten unter freiem Himmel, bei denen häufig die "betenden Kinder" zu sehen waren.

Jenseits des historischen "Fensters" wolle die Ausstellung ihre Besucher zum Nachdenken anregen, betonte Kamp. Unter der Prämisse der Toleranz gehe es darum, den Umgang mit eigenen und fremden Religionen zu überprüfen.

"Ich konnte mir anfangs wenig unter dem Ausstellungsthema vorstellen", gab Minister Peter Hauk unumwunden zu. Bis heute wirke das schlesische Toleranzprinzip der preußischen Könige nach: "Man muss allen Menschen mit Respekt begegnen", laute die zeitgemäße Umsetzung. "Reformation ist immer", zeigte sich auch Landrat Dr. Achim Brötel überzeugt von der langen Wirkungsgeschichte. Die Schirmherrschaft habe er auch deshalb so gerne übernommen, weil die Konzeption der Ausstellung vom Schlesischen Museum in Görlitz stamme. Der Neckar-Odenwald-Kreis sei ja bereits seit 1990 mit der Region partnerschaftlich verbunden, auch wenn diese erst seit der letzten Kreisreform 2008 Großkreis Görlitz heiße.

"Wer nur an Luther denkt, vergisst viele weitere bedeutende Denker", gemahnte MdL Georg Nelius und zeigte sich ebenfalls angetan davon, dass er nun wisse, was die Buschprediger mit den Schlesiern zu tun hätten.

Info: Die Ausstellung ist bis 1. Oktober zu sehen. Geöffnet ist montags bis freitags von 13 bis 17 Uhr und nach Vereinbarung. Am 17. September, 15.30 Uhr, referiert Dr. Henning Gärtner im "Lamm" über "Das Schicksal der evangelischen Kirchen in Schlesien nach dem 2. Weltkrieg."


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