Von Frank Heuß
Neckarelz. Schon mal was von der Mosbacher "Mücke" oder dem Badischen Volksflugzeug gehört? Nein? Dann einfach mal weiterlesen. "Allgemeinbildung am Montag" heißt die Vortragsreihe des Bildungszentrums Mosbach im Ökumenischen Zentrum Neckarelz, in der es diesmal um Hugo Hübner ging. Kurt Streit referierte dabei über den Mosbacher Flugpionier, der aus der Brauereifamilie Hübner stammte und Betriebsdirektor war. "Diesmal sind auch Männer im Publikum, was wohl am Thema liegen dürfte", scherzte der Leiter des Bildungszentrums, Ulrich Neubert. Vorstellen konnte er den Referenten Streit als einen früheren Bundeswehroffizier der Luftwaffe, der an der Hochschule der Bundeswehr studiert habe und über profunde Kenntnisse des technischen Hintergrundes der Luftfahrtgeschichte verfüge.
Der so Vorgestellte präsentierte eingangs erst mal eine alte Flasche des früher bekannten Hübner-Bieres. Dr. Hugo Hübner wurde am 2. Februar 1882 geboren und war später promovierter Chemiker und Inhaber der Mosbacher Brauerei Hübner. Die Fliegerei betrieb er mehr oder weniger daneben als Hobby - zeigte dabei seinen reichen Erfindergeist und konstruierte von 1910 an mehrere frühzeitliche Flugmaschinen. Die waren bestückt mit aus anderen Maschinen entnommenen Zubehörteilen, sie zu bewegen war durchaus riskant.
Unterstützung hatte er bei seinen ersten Flugversuchen auf der Neckarwiese bei Obrigheim und Binau, am Stockbronner Hof sowie am Katzenbuckel durch den seinerzeit bekannten Testpiloten Paul Senger, der allerdings bei einem Absturz (der nichts mit der Fliegerei in Mosbach zu tun hatte) früh verstarb. Am Anfang stand 1912 der "Hübner-Eindecker", der dann für den ersten deutschen Wasserflugwettbewerb umgebaut wurde, wobei das Starten aus dem Wasser heraus nicht gelang. 1933 entstand darauf aufbauend der erste Hübner-Doppeldecker.
Aus seiner Vision vom "Badischen Volksflugzeug" heraus - einem Leichtflugzeug, das sich jeder fleißige Privatmann selbst zusammensparen können sollte - konstruierte Hübner schließlich seine in der Fachwelt fast schon legendär gewordene "Mücke". Zunächst als "Modellflug-zeug" verspottet, ging der Motorsegler mit seinem gerade einmal 18,5 PS starken Motor 1935 tatsächlich in die Luft, konnte dort auf 2000 Meter Höhe steigen und fast 60 Minuten über dem Boden bleiben. "Tatsächlich: Die Mücke fliegt!" titelte die Presse, wie Kurt Streit berichtete. "Damals war noch nicht so viel reglementiert, wo frei war, konnte man fliegen", beschrieb er die sich in dieser Zeit erst entwickelnden Rahmenbedingungen der Fliegerei. Mit Kriegsbeginn sollte sich diese Freizügigkeit aber rapide ändern, die Flugexperimente fanden damit ihr vorläufiges Ende. Hugo Hübner, inzwischen verheiratet und dreifacher Vater, verstarb wenig später - im Jahr 1938 - mit 56 Jahren an einer Nierenerkrankung.
Sein fliegerisches Vermächtnis blieb nach Kriegsende lange Zeit im Verborgenen - erst durch einen Radiobeitrag Anfang der 1980er-Jahre wurde ein mit der Luftfahrtgeschichte befasster Historiker auf einige noch im Dachboden der Alten Mälzerei gelagerten Einzelteile der Flugzeuge Hübners aufmerksam. Auf sein Betreiben hin wurde 9. April 1983 das Dach der Alten Mälzerei geöffnet, die Maschinen mittels eines Kranes gehoben. Unter den Funden waren einer der ersten Eindecker-Maschinen ("Hübner Typ 4") und eben die Hübner "Mücke". Beide Modelle gingen zur Restauration und sind heute im Technikmuseum Sinsheim zu sehen.
"Flugpioniere wie Hugo Hübner waren Helden ihrer Zeit", stellte Kurt Streit heraus und unterstrich, dass sie vielfach zu Unrecht in Vergessenheit geraten seien. Illustrieren konnte er seinen Vortrag mit vielen historische Fotografien, Kopien von Konstruktionsplänen, deren Originale heute im Mosbacher Stadtmuseum liegen, und sogar mit einem Stück Spannstoff, das von einer Hübner-Maschine stammte. Mit viel Applaus dankten die Zuhörer im Ökumenischen Zentrum Kurt Streit nach geglückter "Landung" zum Vortragsabschluss für dessen kenntnisreiche Ausführungen.