Von Heiko Schattauer
Obrigheim. Auf der Suche nach bestechendem Klang war Obrigheim schon immer eine gute Adresse. Wer in den Achtziger- und Neunziger-Jahren soundtechnisch etwas auf sich hielt und es sich leisten konnte, hörte seine Musik zuhause oder im Auto über Lautsprecher von MB Quart.
In der wechselhaften Firmengeschichte gab’s allerdings auch immer wieder Störgeräusche, Leitungen wurden getauscht, Strukturen verändert. Als die damalige Unternehmensleitung Anfang der 1990er-Jahre die Sparte Mikrofonbau von der "Playlist" streichen wollte, war für Herbert Haun der Zeitpunkt gekommen, neue, eigene Wege zu gehen. "Ich wollte zum einen nicht, dass der Mikrofonbau eingestellt wird", sagt der Feinmechaniker-Meister: "Und zum anderen wollte ich auch in Zukunft vernünftig verdienen."
Die Konsequenz: Herbert Haun, 1963 als 1. Mitarbeiter bei Mikrofonbau Neckarelz in die Branche eingestiegen und später von MB übernommen, machte sich selbstständig. Im Keller des Wohnhauses in Obrigheim baute der Feinmechaniker unter dem Namen "MBHO" (Mikrofonbau Haun Obrigheim) in Eigenregie Mikrofone, hochwertig und an individuelle Anforderungen angepasst.
25 Jahre ist das inzwischen her, immer wieder hat Haun seither angebaut, fast ein Dutzend Fertigungsräume finden sich heute unter dem Konstruktionsbüro über dem Keller, in dem alles begann. Aus dem "einen großen Kunden", den Haun ab 1993 eben "von zu Hause aus" weiter bediente, sind viele in der ganzen Welt geworden. Die USA, Südkorea, Russland - die Mikrofone aus Obrigheim sind auch fern der Produktionsstätte gefragt.
Der gute Ruf der Stimmverstärker aus dem Odenwald, die zum Teil noch mit dem klassischen, goldenen "MB-Logo" vertrieben werden - ist offenbar weithin zu hören. In Deutschland gehören vor allem renommierte Beschallungsfirmen zu den Partnern von MBHO. "In etlichen Kirchen in der Region sind unsere Mikrofone verbaut", erklärt Kerstin Knecht. Die Tochter des Firmengründers ist für den kaufmännischen Part zuständig und erläutert, dass man nicht selten ganz individuelle Aufgaben zu lösen habe. "In Italien hatten wir mal ein Mikrofon an einem Ambo zu verbauen, der aus einem riesigen Marmorblock in einem Stück erstellt worden war. Befestigungen oder Halterungen am Marmor waren also absolut tabu". Herbert Haun hat dennoch eine stimmige Lösung gefunden, am Ende der Stimme des Herrn auch in Italien mehr Ausdruck und den rechten Klang verliehen.
Um den besonderen Klang ging es auch einem bekannten russischen Sänger, der mitsamt Entourage in Obrigheim vorstellig wurde, um "sein" Mikrofon ganz individuell auf sich abstimmen und - in dreifacher Ausführung - bauen zu lassen. "Der Preis hat dabei nur eine Nebenrolle gespielt", erinnert sich Herbert Haun. Feine Handarbeit und hohe Qualität gibt es eben nicht umsonst, und jahrzehntelange Erfahrung ist beim Mikrofonbau ein gewichtiges Pfund "Wir sind eine richtige Rentnerband", erklärt Haun in Bezug auf die Belegschaftschaft schmunzelnd. Der Firmengründer ist 73, seine beiden langjährigen Mitarbeiter Eric van Damme und Manfred Schneider sind 67 und 82(!) Jahre alt. Nur ein weiterer, gerade mal 25 Jahre junger Feinmechaniker "reißt den Schnitt nach unten", so Haun. Eine Besonderheit des Mikrofonbaus kommt den Routiniers zugute, der allgemeine Digitalisierungswahn geht nämlich an ihnen vorbei: Ein Mikro mit Digitaltechnik komme klanglich schlicht und einfach nicht an ein klassisches Mikrofon heran, weiß Haun.
Das Team der Filigran-Techniker, beim Mikrofonbau wird im Mü-Bereich gearbeitet, bräuchte dennoch Verstärkung. "Wir sind am Anschlag der Kapazität", schildert Kerstin Knecht, einen weiteren Feinmechaniker könnte man gut gebrauchen. Denn die stattlichen 800.000 Jahresumsatz, die MBHO pro Jahr generiert, müssen auch "produziert" werden. "Viel Freizeit hatte ich im letzten Jahr nicht", räumt Herbert Haun ein, dass hinter dem Erfolg des kleinen Unternehmens viel Arbeit steckt.
Rentenalter hin oder her, der Firmengründer hat nach wie vor eine ruhige Hand und einen klaren Blick. "Und die Arbeit macht ja auch Spaß", versichert der 73-Jährige. Es klingt, ausnahmsweise auch ganz ohne Mikrofon, stimmig - und absolut glaubhaft.