Von Ursula Brinkmann
Haßmersheim. Schon die Tagesordnung mit 17 Punkten versprach eine lange Sitzung des Gemeinderats von Haßmersheim. Mehr als 50 Zuhörer wollten sie mitverfolgen und drängelten sich auf herbeigeholten Stühlen. Drei Stunden später war die Liste abgearbeitet, und die Diskussionen der Bürgerinnen und Bürger fanden nach 22 Uhr rege Fortsetzung vor der Rathaustür, derweil sich drinnen eine nicht-öffentliche Sitzung anschloss.
Das große Interesse der Haßmersheimer galt den ersten vier Tagesordnungspunkten, die den Bebauungsplan "Nord III" zum Inhalt hatten. Genauer gesagt ging es darum, Aufstellungs- und Umlegungsbeschlüsse zu fassen, mit denen das Verfahren einer Bebauung förmlich eröffnet wird. Ein Aufstellungsbeschluss dient der ersten Zusammenfassung der Planungsziele. Die stellte für die Gemeinde Jürgen Glaser vom Mosbacher Ingenieurbüro IFK vor.
Die Pläne kamen selbst für den Gemeinderat überraschend, wie Johannes Höfer etwas verdutzt bemerkte. Demnach soll das knapp zehn Hektar große Plangebiet in einen nördlichen und einen südlichen Bereich (mit zwei B-Plänen) unterteilt werden. Dort soll "Wohnen" (mit 87 durchschnittlich gut 500 Quadratmeter großen Baugrundstücken) ermöglicht werden, hier "Versorgung" (mit Lebensmittelmarkt, Pflegeheim, altersgerechten Wohnungen und verdichteter Wohnbebauung) stattfinden. Das gesamte Entwicklungsgebiet soll durch eine neue Straßenführung an die Landesstraße L529 (nach Hüffenhardt) mittels Kreisel angebunden werden. "Ohne das bestehende Wohngebiet zu belasten", meinte Stadtplaner Glaser.
Gleichwohl gibt es Verbindungen vom alten ins neue Wohngebiet zwischen Buchenweg und so genanntem Spurweg (in den Feldern). Dieser ist allerdings nicht Gegenstand der jetzigen Planungen. Die Grenze des Plangebiets verläuft just neben dem Spurweg. Das ist deshalb erwähnenswert, weil in früheren Planungen dieser Feldweg als Umgehungsstraße für den Haßmersheimer Ortskern kritisiert worden war, da mit einer hohen Lärmschutzwand verbunden und somit als Abriegelung der Haßmersheimer von ihren Naherholungsflächen empfunden würde. "Eine mögliche Ortsrandstraße ist derzeit nicht Teil des B-Plans", versicherte Glaser, "nur eine Option".
Den Spurweg habe man extra ausgespart, sieht auch Bürgermeister Michael Salomo in den neuen Plänen die Wünsche und Bedenken aus der Bevölkerung berücksichtigt. Solche haben noch an anderer Stelle zu einer "Überplanung" geführt. Denn mangels "Mitwirkungsbereitschaft" ergibt sich im aktuellen Konzept ein Streifen Land zwischen der nordöstlichen B-Plan-Grenze und der westlichen Häuserreihe am Dreispitzweg, der nicht Gegenstand des Bebauungsplans sein wird, sondern "Grünfläche". Hier waren wohl einige Grundstückseigentümer nicht bereit, zu verkaufen, und nun plant man eben drum herum. Für Salomo ein "guter Kompromiss", bei dem man die außen vor lasse, die nicht mitmachen wollten.
Als "seltsam" empfand Johannes Höfer (Freie Wähler) die Grenzlinien des neuen B-Plans aus der Beschlussvorlage; er hätte sich die (Glaser-) Pläne früher gewünscht und beantragte deshalb, die Nord-III-Tagesordnungspunkte zu vertagen, was aber mehrheitlich vom Rat abgelehnt wurde. Karlheinz Graner (SPD) kündigte noch vor der Abstimmung seine Gegenstimme zu allen vier das Plangebiet betreffenden Punkten an. "Meine Einstellung ist es seit vielen Jahren, dass Innenerschließung Vorrang vor Außenentwicklung haben soll", brachte er innerörtliche Fläche zur Sprache, insbesondere am Ehrenmal, wo Grundstücksverkäufe zu erwarten seien. Außerdem plädierte er dafür, Lebensmöglichkeiten für ältere Mitbürger in der "Herzkammer" des Ortes zu schaffen, wofür er aus den Zuhörerreihen Applaus erhielt.
Mehrfach meldete sich dort Adolf Iffinger zu Wort, der sich mit anderen zur Bürgerinitiative "Pro Natur am Spurweg" zusammengeschlossen hat (wir berichteten). "Ich bin auch nicht dafür, alte Leute an den Ortsrand zu verschieben." Mit "Naturfreund" Friedbert Bauer war er sich einig, dass der Flächenverbrauch nicht zu verantworten sei, worauf Salomo argumentierte, dass Haßmersheim eine florierende, wachsende und attraktive Gemeinde sei, die Wohnraum und eine gewisse Infrastruktur bieten wolle und müsse.
Mit den nun vorgestellten Plänen ist der BI allerdings ihr Hauptargument aus den Händen genommen: das "Korsett" der Ortsrandstraße mit Lärmwall. Sylvia Göbel, deren Haus am momentanen Rand des Wohngebiets steht, bleibt skeptisch. ",Derzeit’ hat es geheißen. ‚Derzeit‘!" In allen vier Nord-III-Punkten votierte der Gemeinderat bei einer Gegenstimme und zwei Enthaltungen für die Beschlussvorlagen der Verwaltung.