Von Peter Lahr
Aglasterhausen. "Wir wärmen uns eine halbe Stunde auf, dann beginnen wir mit dem Ringen, und zum Schluss gibt es noch ein Spiel zur Belohnung." So sieht er aus, der straffe Plan des Sportpädagogen Grigori Dahaldijan von der Nardini-Schule Walldürn. Bereits zum zweiten - von insgesamt fünf Terminen - begrüßt er am Montagvormittag ein Dutzend "wilder Jungs" von der Gebrüder-Grimm-Schule Daudenzell, die zusammen mit Klassen- und Sportlehrer Christian Wiegel in die Sport- und Festhalle von Aglasterhausen gekommen sind. 90 Minuten voller Action folgen.
"Ich nenne das Projekt ‚Kraftprotz’. Aber es läuft bundesweit unter dem Namen ‚Raufen mit Regeln’", erklärt Dahaldijan, während die Jungen die Halle joggend umrunden. Das Wichtigste fasst der Coach, der seinen "Kraftprotz" schon seit fünf Jahren an unterschiedlichen Schulen in der Region zum Einsatz kommen lässt, so zusammen: "Wir ringen zum Spaß. Die Schüler sollen ihre Kräfte messen - aber dabei Respekt vor dem Gegner haben. Wir kämpfen nach Regeln, lernen dabei aber auch, Sieg und Niederlage zu akzeptieren."
Die Wurzeln des ambitionierten Sportlehrers liegen in Armenien. Er stammt aus eine begeisterten Ringer-Familie. Von klein auf hat er den Sport aktiv betrieben. Auch als Handballtrainer sammelte er schon einschlägige Erfahrungen. Momentan kümmert sich Dahaldijan im "Nebenjob" noch um die Ringerkarriere seines elfjährigen Sohns. Ringen scheint für den Sportpädagogen so selbstverständlich wie für andere Menschen Autofahren, Telefonieren oder Kicken.
Dahaldijan hat seine Augen und Ohren überall und nimmt die Jungs durchaus ran. "Hart aber herzlich", scheint die Devise des zupackenden "Kerls". Das Konzept kommt bei den Daudenzeller Schülern durchaus an. Wer albert oder andere auslacht, riskiert sofortige Sanktionen. Ein paar Ehrenrunden um die Halle oder Liegestützen.
"Wir haben nur zwei Stunden Sport in der Woche", bedauert Christian Wiegel, der das Angebot nach dem fünfwöchigen "Input" als AG weiter anbieten möchte. "Eigentlich müssten wir morgens mit so etwas beginnen", findet er. Wiegel ist überzeugt davon, das das Gegen- und Miteinander, das hier in respektvoller Weise angebahnt werde, auch im (Schul-) Alltag mit dazu beitragen könne, Konflikte auf freundliche Art zu lösen. "Er macht das recht straff, aber das ist genau das, was die Jungs brauchen", kommentiert der Sportlehrer die Methode seines Kollegen. Anders als im Schulunterricht sei beim "Kraftprotz" eine homogene Gruppe versammelt. Die meisten Jungen trieben auch in der Freizeit Sport und seien durchaus leistungsbereit.
"Hopp! Hopp! Hopp! Durchhalten und Konzentration!" Dahaldijan feuert die Jungs an, die nach einer halben Stunde schon spürbar "aufgewärmt" wirken. Nun geht es auf die Matten. Die Zweikämpfe dauern kaum länger als 60 Sekunden. Zu Beginn reichen sich die Gegner die Hände. Grigori Dahaldijan kommentiert die Rangeleien, die auf den ersten Blick recht gefährlich aussehen können. Er greift auch immer wieder ins Geschehen ein, beendet einen Kampf oder zeigt technische Feinheiten auf. "Learning by doing", lautet die Devise.
"Fuß weg nehmen." "Hand weg ziehen." "Nicht auf den Rücken fallen, auf die Bauchlage fallen, dann kannst du dich verteidigen." "Steh auf, trau dich." Knapp, aber effektiv, rät der Experte den jungen Kontrahenten. "Du bist kleiner, aber schneller. Nutz’ das aus", oder: "Der Große hat einen Vorteil - seine Masse."
Auch Sportlehrer Wiegel ist begeistert: "Das Erstaunliche: Die Jungs schenken sich ja nichts. Aber es gibt keine größeren Verletzungen." "Zur Belohnung" gibt es nach 60 schweißtreibenden Minuten 60 Sekunden Trinkpause. Dann spielen alle gemeinsam eine Art "Rugby auf Knien", bevor sie wieder die Matten auf den Wagen räumen und als Hausaufgabe eine echte Kopfnuss erhalten: "Wie berechnet man die Fläche eines Halbkreises?"