Von Heiko Schattauer
Obrigheim. Halbzeit, Endspurt, wie auch immer: Mit der Kernkraft in Deutschland geht es langsam, aber stetig zu Ende. Am einst dienstältesten Atommeiler in Obrigheim kam man am Mittwochvormittag zusammen, um zu dokumentieren: "Der Ausstieg ist in vollem Gange", wie es Baden-Württembergs Umweltminister Franz Untersteller, mitsamt vierter Abbaugenehmigung ins Neckartal gereist, vor Ort und vor versammelter Presse erläuterte. Auch wenn es äußerlich noch aussieht, wie zu längst vergangenen Betriebszeiten, das Kernkraftwerk Obrigheim (KWO) ist - nicht nur für die EnBW als Betreiberunternehmen - so etwas wie das Symbol des Rückbaus im Ländle, es steht für den Abschied von der atomaren Energiegewinnung.
Seit gestern also liegt die finale Abbaugenehmigung für das KWO vor, der Umweltminister höchstselbst überreichte sie, die Obrigheimer Kraftwerkskuppel fototechnisch stimmig im Hintergrund, an Jörg Michels, Geschäftsführer der EnBW-Kernkraft-Sparte. Mit der Genehmigung sind auch die abschließenenden Schritte des Rückbaus legitimiert. Bis 2015, also ziemlich genau 20 Jahre nach der Abschaltung (im Mai 2005 erfolgt) und knapp sechs Jahrzehnte nach dem Bau der Anlage endet dann die Geschichte des KWO.
Die ist nicht nur (bekannt) bewegt, sondern auch eng verbunden mit der des heutigen Umweltministers Franz Untersteller. Der hatte Anfang der 1990er-Jahre mit dafür gesorgt, dass das Kernkraftwerk in Obrigheim fast ein Jahr lang still stand, da lediglich eine Probebetriebsgenehmigung für den Atommeiler vorlag. Auch beim Untersuchungsausschuss, der sich ab Mitte der Neunziger damit befasste, wie die Bauausführungen am KWO zu den jeweiligen Genehmigungen passen, war der damalige Landtagsabgeordnete der Grünen involviert. Bis heute erinnert er sich diesbezüglich an "viele schlaflose Nächte".
Dass ausgerechnet er es sein könnte, der dann im Frühjahr 2018 als Chef des Umweltministeriums den EnBW-Verantwortlichen die letzte Abbaugenehmigung (es ist die vierte ihrer Art) überreicht - vor 20 Jahren hätte Untersteller das als "Wahnvorstellung" bezeichnet.
Grün hin, Atomkraft her: Wie der Ausstieg aus der Kernkraft im Allgemeinen und der Rückbau des Kernkraftwerks in Obrigheim im Speziellen vollzogen wird und voran kommt, stimmt den Umweltminister recht zufrieden. Auch die 2017 realisierten Castor-Transporte von Obrigheim ans Standortzwischenlager am Kraftwerk in Neckarwestheim (GKN) - 342 abgebrannte Brennelemente wurden transferiert - hat Untersteller stets befürwortet. Schon 2006, so der Umweltminister gestern in Obrigheim, habe er dafür plädiert, am KWO kein weiteres Zwischenlager für Atommüll zu errichten: "So wird das Restrisiko weiter minimiert."
Nach den hochgradig radioaktiven sollen am KWO auch die schwach- bis mittelgradig strahlenden Reststoffe (von denen rund 2500 Tonnen anfallen) weg. "Damit wir den Standort vollständig aus der atomrechtlichen Überwachung entlassen können, muss auch noch das vorhandene Zwischenlager für schwach- und mittelradioaktive Abfälle geräumt werden", so Franz Untersteller. Da ab dem Jahr 2020 die bundeseigene Gesellschaft für Zwischenlagerung (BGZ) das Zwischenlager betreiben werde, will sich der Unmweltminister beim Bund dafür einsetzen, diese Abfälle zeitnah nach Ende der Abbauarbeiten in ein anderes Zwischenlager umzulagern, so der Minister. Das Ziel in Obrigheim lautet schließlich "grüne Wiese" - oder zumindest konventionelle Nachnutzung noch vorhandener Gebäude. Nach aktueller Planung der EnBW soll der Abbau des Atomkraftwerks spätestens bis zum Jahr 2025 abgeschlossen sein.
Wohin der aktuell in einer (dafür genehmigten) Betonhalle deponierte schwach- und mittelradioaktive Müll umgelagert werden soll, "das habe nicht ich zu entscheiden", so Untersteller. Als bestehende Zwischenlager kämen hier wohl (erneut) auch Neckarwestheim und Philippsburg in Frage.
Weiterhin nur den Kopf schütteln kann der Umweltminister indes in Bezug auf die Diskussion um freigemessenes Abbaumaterial aus dem KWO, das auf der Deponie in Buchen-Sansenhecken gelagert werden soll. Da werde etwas "problematisiert", das unproblematisch, weil unbedenklich sei. Zum einen sei durch das Abfallrecht ganz klar geregelt, dass der Kreis für die Deponierung dieses Materials (rund 3000 Tonnen) zuständig sei. Und zum anderen sei dessen Reststrahlung derart gering (kleiner 10 Mikrosievert), dass keinerlei Gefahr davon ausgehe. Da müsse man ganz einfach auch "mal die Kirche im Dorf lassen", so Franz Untersteller. Die erste Anlieferung sei in Vorbereitung, so Dr. Michels auf RNZ-Nachfrage, einen konkreten Termin gebe es allerdings noch nicht.