Von Alexander Rechner
Mosbach. Hat das Handwerk noch goldenen Boden? Die zunehmende Akademisierung lässt die Arbeitskräfte knapper werden und stellt auch die Handwerkerschaft im Neckar-Odenwald-Kreis vor Herausforderungen. Anfang Januar hat Michael Windmeißer (52) die Verantwortung als Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft im Neckar-Odenwald-Kreis übernommen. Der in Würzburg geborene Familienvater von zwei Kindern bezog im Rahmen des RNZ- Formates "Gespräch im Rathausturm" Stellung zur hiesigen Ausbildungssituation, Digitalisierung und zu den Herausforderungen, vor denen das Handwerk heute steht.
Herr Windmeißer, wir treffen uns heute im Türmerstübchen im Rathausturm. Mosbachs letzter Türmer hieß Georg Andreas Großkinsky. Er war damals Handwerker und reparierte als Schumacher hier oben Schuhe. Hat das Handwerk noch goldenen Boden?
Ja, ganz sicher. Das Handwerk steht zwar vor großen Herausforderungen, aber die Tradition des Handwerks ist nach meiner festen Überzeugung die Voraussetzung, die Zukunftsthemen erfolgreich gestalten zu können. Ich glaube, die Akteure ausgemacht zu haben, die diese Aufgabe angehen können, nämlich die Obermeister der 13 Innungen. Auf vielen Tagungen habe ich gemerkt, dass man überall dort, wo man die Themen einzeln angeht, auch Lösungen findet.
Vor welchen Problemen steht denn das Handwerk im Kreis?
Zunächst ist besagter goldener Boden ein gutes Fundament, die Probleme lösen zu können. Die Herausforderungen, vor denen das Handwerk steht, liegen im Fachkräftemangel, in der Digitalisierung, Fortbildung von Führungspersonal, in den Bereichen der Jugendarbeit sowie Mitgliedergewinnung für unsere Innungen.
Sie sind seit Januar Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft. Wie wollen Sie Herausforderungen angehen?
Wir haben verschiedene Arbeitskreise eingerichtet, in denen wir gemeinsam an Konzepten feilen und diese entwickeln wollen. Unsere Handwerksbetriebe sind stark in der Region verwurzelt, wurden über viele Generationen hinweg erfolgreich geführt und haben sichtbare Spuren hinterlassen. Sie stehen für Qualität und Zukunft, und das wollen wir nach außen stärker vermitteln.
Wie viele junge Menschen werden heute noch als Handwerker ausgebildet?
Unsere 1740 Handwerksbetriebe im Landkreis bilden derzeit 654 junge Menschen aus. Etwa 10.000 Personen sind derzeit im Handwerk beschäftigt. Im Vergleich zu den vergangenen Jahren lässt sich sagen: Die Zahl der Auszubildenden im Kreis stabilisiert sich. Damit sich dieser Trend fortsetzt, engagieren wir uns seitens der Kreishandwerkerschaft stark.
Wie wollen sie junge Frauen und Männer für einen Handwerksberuf begeistern?
Wir suchen das direkte Gespräch mit Jugendlichen in den Schulen und leisten zusammen mit der Handwerkskammer Informationsarbeit. Dabei zeigen wir die sehr guten Fortbildungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten auf und klären auch darüber auf, was man als Lehrling oder später als Meister verdient.
Apropos Ausbildungsmöglichkeiten im Landkreis: Wie sehen diese aus?
Für uns sind nahe und für unsere Lehrlinge gut zu erreichende Schulen wichtig. Deshalb sind unsere Berufsschulen im Kreis auch so elementar. Allerdings müssen angesichts der niedrigen Zahl an Auszubildenden auch Klassen zusammengelegt werden.
Und das heißt?
In der Fleischerinnung gab es so wenige Lehrlinge, dass in Buchen die Ausbildung geschlossen werden muss. Aktuell ist noch angedacht, dass die Azubis nach Karlsruhe zur Schule müssen. Aber die Kreishandwerkerschaft setzt sich für den Standort Sinsheim ein. Dieser hätte viele qualitative Vorteile für unsere Lehrlinge, aber auch die räumliche Nähe und den Direktbus nach Sinsheim.
Gibt es im Kreis auch geflüchtete Menschen, die eine Ausbildung abgeschlossen haben bzw. in einem sozialversicherungspflichtigen Arbeitsverhältnis stehen und abgeschoben wurden?
Das Handwerk im Neckar-Odenwald-Kreis leistet seit 2015 einen besonderen Beitrag hinsichtlich der Integration von geflüchteten Menschen. Die Handwerksunternehmen wollen den Menschen helfen. Ob ein Flüchtling im Kreis, der eine Ausbildung begonnen hat, abgeschoben wurde, kann ich nicht sagen.
Sie sprachen vorhin die Digitalisierung schon an: Ist sie Fluch oder Segen für die Branche?
Eindeutig ein Segen. Die Digitalisierung birgt auch viele Chancen, weil sie unter anderem neue Geschäftsmodelle eröffnet. Diese aufzuzeigen ist eine Aufgabe der Kreishandwerkerschaft. Die Digitalisierung ist eine Herausforderung, die das Handwerk angeht.
Was ist Ihr Hauptanliegen als neuer Geschäftsführer?
Mein Ziel ist, das Wir-Gefühl des Handwerks zu stärken. Wir Handwerker sind wer, wir leisten eine qualifizierte Arbeit.
Wenn Sie einen Wunsch an die Politik richten dürften, welcher wäre dies?
Ich wünsche mir eine weiterhin offene Tür für unsere Anliegen und die Fortführung des Dialogs mit der Politik. Themen gibt es viele.