Von Ursula Brinkmann
Mosbach. Nachhaltigkeit ist in aller Munde. Die Volkshochschule Mosbach bietet im laufenden Semester 18 Kurse und Veranstaltungen zum Thema Nachhaltigkeit an. Eine ist die Autorenlesung mit Kathrin Hartmann, die ihr 2018 erschienenes Buch "Die grüne Lüge" am kommenden Donnerstag, 8. November, in der neuen Caféteria "BanschiArt" des Landratsamts vorstellen wird. Die Lesung findet im Rahmen der 24. Mosbacher Buchwochen statt. Der Klimamanager des Landkreises, Sebastian Randig, war am Zustandekommen dieser Kooperation beteiligt. Die RNZ hat Kathrin Hartmann im Vorfeld zum Thema "Greenwashing" befragt.
Frau Hartmann, unter "Green Washing" darf man sich nicht vorstellen, dass man seine Textilien umweltverträglich reinigt, oder?
Auch das versprechen Waschmittelhersteller, klar. Glaubt man den Nachhaltigkeitsversprechen der Hersteller, schützen Sie Natur sogar mit dem Tragen von Pelzmänteln oder wenn Sie Nes-presso trinken. Dabei ergeben allein die Nespresso-Kapseln jedes Jahr einen 8000 Tonnen schweren Müllberg. Selbsternannte Klimaschützer sind demnach Ölkonzerne wie Shell und BP oder Coca-Cola, weil die sich um die Trinkwasserreserven kümmern. Das ist unter Green Washing zu verstehen: weiße Weste dank grünem Mäntelchen.
Eine schöne, grüne Scheinwelt?
Genau! Konzerne, deren Kerngeschäft untrennbar mit Klima- und Umweltzerstörung, Ausbeutung und Menschenrechtsverletzung verbunden ist, verstecken das unter einem grünen Mäntelchen. Je schädlicher das Geschäft, desto elaborierter und schillernder die grünen Versprechen. So hält man nicht nur die Kunden bei Kauflaune, sondern sich auch die Politik vom Hals, die sie mit Gesetzen und Auflagen zu einem ökologischen und sozialen Wirtschaften zwingen könnte. Das macht Green Washing so gefährlich: Es blockiert Veränderung und gaukelt den Menschen vor, sie könnten eh nichts anderes tun, als die "richtigen" Produkte kaufen.
Wie sind Sie darauf gekommen, dass längst nicht alles, was als nachhaltig und sozial verträglich angepriesen und verkauft wird, auch so erzeugt wird?
Ich habe mit meiner Recherche angefangen, nachdem ich eine Werbung des Fischstäbchenherstellers Iglo gesehen habe, der versprach, von jeder Packung Fischstäbchen gingen ein paar Cent an ein Meeresschutzprojekt des WWF. Also rettet man die Ozeane, indem man besonders viele Fischstäbchen aus überfischtem Alaska-Seelaches verspeist. Hä? Heute hat selbst Monsanto einen Nachhaltigkeitsbericht, in dem steht, dass sie die Entwicklungsziele der UN erfüllen und Paul Polman, der Chef von Unilever, behauptet ernsthaft: "Unilever ist die größte NGO der Welt." Dabei verbraucht sein Konzern jedes Jahr acht Millionen Tonnen solcher Rohstoffe, die für die Hälfte der globalen Waldzerstörung verantwortlich sind, nämlich Palmöl, Rindfleisch und Soja.
Wie kamen Sie an Ihre Informationen?
Enthüllungen gibt es von vielen Nichtregierungsorganisationen, insbesondere von solchen vor Ort. Zu Palmöl und Unilever habe ich intensiv vor Ort in Indonesien recherchiert, einmal für mein Buch "Aus kontrolliertem Raubbau" und dann für unseren Film "Die grüne Lüge". Dort war ich mit Graswurzel- und Menschenrechtsaktivisten unterwegs, die seit vielen Jahren gegen Palmöl kämpfen. Und andererseits servieren einige ihr Greenwashing auf dem Silbertablett. Eine meiner Lieblingsszenen in un-serem Film ist, wie ein niederländischer Palmöl-Lobbyist sich um Kopf und Kragen redet, weil er nicht erklären kann, was nachhaltiges Palmöl ist. Klar, das gibt’s ja gar nicht.
Hier in Mosbach ist das Thema Nachhaltigkeit Semesterschwerpunkt der VHS, die wiederum mit den Mosbacher Buchwochen und dem Bereich Klimamanagement im Landratsamt kooperieren. Sie kritisieren auch politische Institutionen auf globaler und nationaler Ebene, die sich zu "Handlangern" der Unternehmen machten. Wo hat lokale Politik Möglichkeiten, der grünen Scheinwelt etwas entgegenzusetzen?
Bei allem, was die Struktur ändert: Fahrradwege bauen, Ortskerne autofrei machen, Energie in Bürgerhand unterstützen, sich für eine ökologisch und sozial gerechte Landwirtschaft einsetzen, nicht in schmutzige Konzerne investieren, dafür zu sorgen, dass sich Menschen begegnen können - da gibt es eine Menge Möglichkeiten. Dafür braucht es aber vor allem die Bürger, die das erkämpfen, denn gerechte Veränderung kommt immer von unten. Gerade auf regionaler Ebene sind da ja die Möglichkeiten zur Vernetzung und zum Handeln besonders gut.
Und wir, die Verbraucher, die glauben, dass wir am bisherigen Lebensstil mit "grün gewaschenen" Produkten festhalten können. Was können wir tun?
Als Erstes damit aufhören, sich selbst als Verbraucher zu betrachten. Das ist eine rein ökonomische Kategorie, keine soziale. Als Verbraucher tut man nichts anderes als kaufen. Als Bürger haben wir demokratische Rechte - die haben wir uns erkämpft und nicht erkauft. Da gibt es leider keinen praktischen Ausweg, wir müssen uns politisch engagieren und protestieren.
Und was tun Sie selbst?
Ich habe es als Journalistin zu meinem Beruf gemacht, das falsche Gute zu entlarven und aufzuklären. Nicht nur in meinen Büchern, sondern auch in der Arbeit in Netzwerken, mit Bewegungen und Nichtregierungsorganisationen. Privat gehe ich selbstverständlich gegen Missstände auf die Straße. Zuletzt war das im Hambacher Forst und in München gegen das Polizeiaufgabengesetz. Ich war in diesem Jahr schon auf so vielen Demos wie lange nicht mehr. Das macht mir Hoffnung und gute Laune: Ich sehe, dass ich nicht alleine bin und dass sich die Menschen endlich in Bewegung setzen, laut "Nein" sagen und sich sichtbar machen. So beginnt Veränderung, und das finde ich ganz großartig.