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"Wir müssen ein bisschen Speck auf die Rippen kriegen"

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Von Heiko Schattauer

Mosbach. Werkrealschulen, Sonderabfall-Zwischenlager oder Pfalzgrafenstift - Themen zur kontroversen Auseinandersetzung gab es in der Stadt zuletzt so einige. Und im Mai wird neben Europaparlament und Kreistag auch der Mosbacher Gemeinderat neu gewählt. Gründe genug, um sich mit Oberbürgermeister Michael Jann (Foto) eingehend über bewegende Themen, offene Baustellen und weitere Planungen zu unterhalten.

Die Kommunalwahlen werfen ihre Schatten voraus. Welches Gefühl, welche Wünsche oder auch Befürchtungen begleiten eigentlich einen Oberbürgermeister vor der Wahl? Immerhin dürfen/müssen Sie mit den Gewählten ja dann die kommenden fünf Jahre zusammenarbeiten?

Befürchtungen habe ich eigentlich keine. Die Bürger entscheiden, wer in den Gemeinderat einziehen soll - ich und die Verwaltung haben damit umzugehen, das ist ganz einfach. Mein Wunsch ist natürlich, dass auch weiterhin eine sachlich-konstruktive Diskussion im Vordergrund steht, auch wenn manchmal Emotionen mit reinschwingen. Der Blick über die Kandidatenliste macht mich zuversichtlich, dass das auch künftig so bleibt.

Bleiben wir im Gemeinderat: Da gab es ja zuletzt durchaus Punkte, die Diskussionen ausgelöst haben. Sagen Sie uns doch jeweils ein paar Sätze zu den Themen und dem aktuellen Stand.

Geplante Sonderabfall-Zwischenlagerung auf dem Hardberg: Das Genehmigungsverfahren läuft, die Unterlagen sind im Landratsamt einzusehen. Mit Schaffung des Planungsrechts sind wir als Stadt weitestgehend außen vor, das Regierungspräsidium wird anhand des Bundesimmisionsschutzgesetzes eine Entscheidung treffen. An dieser Stelle möchte ich aber noch einmal betonen, dass die Option einer Zwischenlagerung von Sonderabfällen von Anfang an ein Gegenstand der Planungen und Präsentationen war. Ob diese Option genutzt wird, war allerdings offen.

Mosbacher Werkrealschulkonzept: Aktuell sieht es so aus, dass die Anmeldezahlen an der Müller-Guttenbrunn-Schule deutlich unter dem Klassenminium (16 Schüler, Anm. der Redaktion) liegen, an der Lohrtalschule deutlich darüber. Anfang Mai soll es ein Gespräch mit dem Staatlichen Schulamt geben, inwieweit eine Schülerlenkung möglich sein wird oder wie man die - nach wie vor - schwierige Situation lösen kann.

Entwicklung Pfalzgrafenstift: Die Vor-Ort-Besichtigungen mit Vertretern der BI waren sehr wichtig und haben neue Erkenntnisse gebracht. Bauliche wie programmatische Unterschiede wurden so deutlich. Ich gehe davon aus, dass wir mit der Seniorenwohnbau-Holding und Advita, die eine breite Akzeptanz gefunden haben, eine Einigung erzielen können, wenngleich das Rennen noch nicht zu Ende ist, noch einige Runden zu drehen sind. Es ist gut, dass kontrovers diskutiert wurde und man am Ende doch auf eine sachliche Linie zurückgefunden hat.

Forderung nach bezahlbarem Wohnraum und städtische Maßnahmen dafür: Die Forderung ist nachvollziehbar, aber unser Handlungsspielraum ist da überschaubar. Eine städtische Wohnbaugesellschaft wäre schön, aber um es mal konkret festzumachen: Bei nicht gefördertem Wohnbau kommt man bei 8 bis 9 Euro/qm Mietpreis raus. Die Differenz zu den oft als "bezahlbar" genannten 5 Euro zu stemmen, das lässt sich mit dem städtischen Haushalt schlicht und ergreifend nicht finanzieren. Wir müssen also weitestgehend auf Privatinitiative bauen.

Entwicklungspläne/Bauvorhaben: Wir haben seit geraumer Zeit die Entwicklung der letzten größeren Erschließungsfläche im Stadtgebiet, dem Hungerberg, in Arbeit. Gemeinsam mit der Johannes-Diakonie haben wir da schon eine Art Lastenheft erstellt, darin finden sich Themen wie Mehrgenerationenwohnen oder Inklusion. Als Nächstes wollen wir da mehrere Projektplaner mit ins Boot holen, die uns dann Vorschläge für eine stimmige Quartierentwicklung machen sollen. Immerhin reden wir da von einer Fläche von insgesamt 50.000 qm. Ich hoffe, dass wir da in zwei bis drei Jahren erste Erschließungsmaßnahmen starten können. Und bei den Bauvorhaben im Bergfeld ist es so, dass sich zwei weitere Interessenten gemeldet haben, das muss man sich in Ruhe anschauen.

Andere Baustelle: Obertorzentrum. Kaufland ist weg, das Gebäude verschlossen und gesichert. Wie steht es hier in Sachen Nachfolgelösung?

Die Duale Hochschule hat die notwendigen Anträge für eine Nutzung/Übernahme der Gebäude gestellt, der Ball liegt jetzt beim Finanz- und Wissenschaftsministerium. Ich hoffe, dass es im Laufe des Jahres ein entsprechendes Signal aus Stuttgart gibt.

Schlagzeilen machte dieser Tage zum wiederholten Mal auch der 200 Mitarbeiter starke Traditionsbetrieb Hüller Hille. Dort hat der chinesische Investor das Unternehmen in die Insolvenz geführt. Auch andere alteingesessene Mosbacher Firmen sind inzwischen in ausländischer Hand. Eine Entwicklung, die Ihnen Sorge bereitet?

Ausländische Beteiligungen sind in einer globalisierten Welt ja nichts Neues, das gehört schon dazu. Bei Hüller Hille ist aber natürlich schon eine gewisse Dramatik drin, die letzten Investoren sind ihrem Namen nicht ganz gerecht geworden, haben offenbar vielmehr Know-how abgezogen. Wir können hier über unseren Wirtschaftsförderer nur begleiten, stehen mit dem Betriebsrat in Kontakt und hoffen auf einen neuen Investor, der mit Weitblick und Ausdauer auch investiert. Bei der Übernahme von Gmeinder Getriebe habe ich ein gutes Gefühl, das tschechische Unternehmen hat mit einem strategischen Zukauf sein eigenes Portfolio erweitert. So wie das nebenan bei Gmeinder Lokomotiven und der Firma Zagro ja auch geschehen ist. Und da ist die Entwicklung ja durchaus gut.

Keine gute Entwicklung gab es zuletzt allerdings in Bezug auf Jugendliche, die mehrfach überaus unangenehm in der Stadt auffielen. Hat man da Lösungsansätze gefunden?

Es gibt weiter einen intensiven Austausch mit der Polizei, mit dem Landratsamt haben wir uns auch schon wegen eines Streetworkers unterhalten. Aktuell ist es etwas ruhiger, aber gelöst ist dieses Problem sicher noch nicht zufriedenstellend.

Auch außerhalb der Kommunalpolitik gibt es bewegende Themen. Oder welche, bei denen sich leider weniger bewegt. Wie sehr schmerzt Sie, dass der Mosbacher Sommer diesmal ohne großes Musik-Open-Air kommt?

Das ist schon sehr schade. Mich hat ehrlich gesagt verwundert, wie schlecht die Resonanz gerade auf die Angebote für die Jungen war. Vielleicht ist es ja aber ganz gut, dass mal ein Jahr kein ganz großes Konzert ist. Dann bekommt der ein oder andere vielleicht wieder mehr Lust auf ein Mosbacher Open-Air.

Verwundert hat Sie zuletzt auch die öffentlich formulierte Aufforderung des IHK-Präsidenten, in Mosbach möge man ob der guten Einnahmen doch die Gewerbesteuer senken.

Mein Antwortschreiben hat Herr Schnabel vorliegen. Es ist ganz einfach so, dass wir in Mosbach schauen müssen, dass wir in guten Zeiten ein bisschen Speck auf die Rippen bekommen. Allein im Hinblick auf die immensen Investitionen, die wir in den kommenden zehn Jahren an Schulen und städtischen Gebäuden tätigen müssen. Zudem gibt es Konsolidierungsvorgaben vom Regierungspräsidium. Wir würden gern den Unternehmen etwas zurückgeben, aber das können wir in unserer Situation nicht. Mosbach hat leider kein Polster, auf dem es sich ausruhen könnte.


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