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Nach dem Mai-Unwetter ist in Allfeld nur der Bach wieder an seinem Platz

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Von Stephanie Kern

Billigheim-Allfeld. Es riecht nach Heizöl. Egal wo man in der Bachstraße in Allfeld steht, man hat den Geruch einfach in der Nase. Und auch sonst ist in der Bachstraße noch nichts wieder so, wie es vor dem Unwetter in der Nacht vom 29. auf den 30. Mai war. In manchen Häusern wird gehämmert und gearbeitet, in anderen surren noch die Trocknungsgeräte. Nur einer ist wieder an seinem Platz: der Bach. Ganz ruhig fließt die Schefflenz hier entlang, am Ufer wächst wilder Salbei.

Nahezu idyllisch wirkt das, wenn man bei Johann Keppler auf dem mit Reben umrankten Balkon sitzt. Kaum vorstellbar, dass der Bach in dieser Nacht fast bis auf zwei Meter anstieg. Nur knapp unter die Decke des Erdgeschosses. "Es war 23 Jahre ruhig. Nun haben wir die andere Seite des Bachs gesehen", sagt Keppler. Der Elektroinstallateur und seine Familie hatten in dieser Nacht mehrmals Glück im Unglück. Das überflutete Erdgeschoss wird nur als Keller genutzt - obwohl das auch einige Schäden bedeutet. Sauna, Waschmaschine, Trockner, elektronische Geräte, die er in seiner Werkstatt aufbewahrt hatte, sind dem Schlamm und dem Wasser zum Opfer gefallen. Der Putz muss im kompletten Keller runter.

Die Autos und das Motorrad konnte man mit Hilfe des Sohnes gerade noch retten. Als dann aber seine Frau von einem Sog erfasst und fast weggerissen wurde, war für Johann Keppler klar: "Jetzt ist Schluss mit Rettungsaktionen." In den ersten Stock kam die Familie nicht mehr, mittlerweile standen die Kepplers auf der Außentreppe ihres Nachbarn Peter Kappes - Stufe um Stufe stiegen sie nach oben, wo sie schließlich aufgenommen wurden. Währenddessen lag die älteste Tochter in ihrem Bett. Erst um 2.30 Uhr bekam sie mit, wie hoch das Wasser steht. Durch die geöffneten Fenster kommunizierte man. Um 5.30 Uhr konnten die Kepplers dann in ihr 200 Jahre altes Haus zurück und den Schaden begutachten. "Danach merkt man erstmal, wie es ist, wenn die Kleinigkeiten fehlen", berichtet Keppler. Feste Schuhe zum Beispiel, Arbeitskleidung oder auch Toilettenpapier.

Verzagt wirkt Johann Keppler trotzdem nicht, auch wenn die Schäden bei ihm im Haus noch nicht ansatzweise repariert sind. "Ich muss wohl etwas mehr Druck bei der Versicherung machen." Und dass er die Situation gut "hinnehmen kann, wie sie ist", daran haben auch die RNZ-Leser großen Anteil: Johann Keppler und seine Familie bekamen eine Spende aus der RNZ-Unwetterhilfe - die Dankbarkeit ist sehr groß. "Das ist das erste Mal, das etwas versprochen und auch eingehalten wurde. Dass die Menschen für uns Geld übrig haben, und dann auch noch eine solche Summe, das ist wirklich toll", freut sich Keppler über die finanzielle Unterstützung der Menschen aus dem Kreis. Das geht auch Peter Kappes nicht anders: "Das ist die einzige Aktion, die was gebracht hat", sagt er mit einem breiten Lächeln, als wir ihm den RNZ-Unwetter-Klaro übergeben.

Ganz ähnlich ist auch die Reaktion bei Gregor und Wilma Kratschmann: "Wir können nicht mehr als ,Danke’ sagen, und Sie müssen es schreiben!", bestimmt Wilma Kratschmann. In ihrem Haus - übrigens auch 200 Jahre alt - stand der komplette Keller unter Wasser. Einen Meter sind die Wände teilweise dick, die Feuchtigkeit noch lange nicht draußen. Zweimal am Tag müssen sie die Eimer der Trocknungsgeräte wechseln. Im Anbau leben der Sohn und dessen Lebensgefährtin mit der kleinen Enkelin der Kratschmanns. Auch hier gibt es Diskussionen mit der Versicherung und gab es Diskussionen mit Politikern. Von der oft versprochenen "unbürokratischen Soforthilfe" habe man nichts erhalten.

Umso größer war die Freude über die Hilfe untereinander. Am Tag nach dem Unwetter stand eine Gruppe junger Menschen aus Auerbach vor dem Haus der Kratschmanns. "In Turnschuhen standen die da. Aber sie wollten unbedingt helfen. Sowas habe ich noch nie erlebt", erzählt Kratschmann von den Tagen nach dem Unwetter. Auch innerhalb der Straße sei man zusammengerückt, habe sich als Nachbarschaft wieder zusammengefunden.

Persönlich betrifft es trotzdem jeden, Bilder, Erinnerungen sind weg. "Was wir uns in 35 Jahren angesammelt haben ist fort", sagt Wilma Kratschmann. Und ein bisschen merkt man ihr an, dass das Unwetter nicht nur Schäden in und an den Häusern hinterlassen hat. "Wir hatten Angst. Es war ja mitten in der Nacht und wir wussten nicht, ob und wann es aufhört." Und nun kommen auch noch die Sorgen wegen der Versicherung dazu. "Nun muss man weitersehen", sagt Gregor Kratschmann, und lässt seinen Blick über seinen Garten und die angrenzende Schefflenz schweifen.

Ob die Kratschmanns oder die Kepplers jetzt weg wollen vom Bach? "Niemals!", bekräftigen beide. Keppler: "Die Natur, der Bach, deswegen bin ich hier, deswegen wollte ich dieses Haus." Und auch Gregor Kratschmann möchte das Leben am Bach nicht missen. "Es gibt für mich nichts Schöneres, als abends nach der Arbeit die Füße in den Bach zu strecken", erzählt er. Dass die Schefflenz so extrem über ihre Ufer getreten ist - wie es scheint, haben es die Bewohner der Bachstraße ihr wieder verziehen ...


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