Von Alexander Rechner
Neckar-Odenwald-Kreis. Der deutsche Wald leidet unter Dürre, Schädlingen und Stürmen. Dabei sind Bäume mit ihrer Fähigkeit, CO2 zu speichern, sehr wichtig im Kampf gegen den Klimawandel. Aufforsten kostet Geld und viel Zeit. Haben wir die noch? Der baden-württembergische Forstminister und hiesige Landtagsabgeordnete Peter Hauk ging im Gespräch mit der RNZ auf die Mammutaufgabe ein und legte dar, was die Landespolitik unternimmt.
Herr Minister Hauk, die Hiobsbotschaften reißen nicht ab. Immer wieder wird von erheblichen Waldschäden berichtet. Haben wir noch genügend Zeit, den Klimaretter Wald zu retten?
Mit dem Umbau der Wälder weg von anfälligen Nadelholz-Monokulturen hin zu stabilen Mischwäldern haben wir in Baden-Württemberg schon vor Jahrzehnten begonnen. Diesen Weg werden wir konsequent weiter fortsetzten und den Umbau vorantreiben. Ihr Stichwort vom "Klimaretter Wald" gefällt mir übrigens sehr gut, denn nur nachhaltig bewirtschaftete Wälder mit einer entsprechenden Verwertung der anfallenden Hölzer können ihre Klimaschutzwirkung voll entfalten. Bloßes Abwarten und Nichtstun wären fatal. Ich bin mir sicher, dass es uns gelingt, unsere Wälder gut durch den Klimawandel hindurchzubekommen, wenn alle gesellschaftlichen Gruppen an einem Strang ziehen.
Wie geht’s dem Forst im Kreis?
Dem Wald im Neckar-Odenwald-Kreis macht wie praktisch allen Wäldern in Mitteleuropa der Klimawandel arg zu schaffen, den wir immer stärker zu spüren bekommen. Ich will keine Ängste schüren, aber das, was wir in den Jahren 2018 und 2019 erlebt haben, könnte uns einen Vorgeschmack darauf liefern, was uns in den kommenden Jahrzehnten beschäftigen wird: Trockenheit sowie übermäßige und lang anhaltende Sommerhitze schwächen unsere Waldbäume und begünstigen viele Schädlinge. Fichten, Tannen, Kiefern, aber auch die als robust geltenden Buchen sterben teils flächig ab.
Welche Baumarten sind im Landkreis besonders betroffen?
Auch im Neckar-Odenwald-Kreis gibt es Probleme. Dort ist die Gesamtsituation aber nicht so extrem. Vor allem im Westteil des Kreises hatten wir eine etwas bessere Niederschlagssituation. Trotzdem hat es viele Privatwaldbesitzer und Kommunen hart getroffen. Besonders betroffen sind wir von starken Trockenschäden an der Buche, die in diesem Spätsommer aufgetreten sind und sich wohl erst im nächsten Jahr in ihrem vollen Umfang zeigen werden.
Viele Waldbesitzer klagen über erhebliche Einnahmeverluste. Wie hilft die Landespolitik dabei?
Waldwirtschaft ist seit Generationen ein Arbeiten in und mit der Natur, was die Sache ein Stück weit unberechenbar macht. Auch die Holzmärkte sind mitunter sehr volatil. Insofern ist es für die Forstbranche keine neue Erfahrung, wenn sich die Ertragssituation der Betriebe ändert. Mit Blick auf die aktuellen Entwicklungen haben wir für den anstehenden Doppelhaushalt 2020/21 einen Bedarf von jährlich 40 Millionen Euro für einen Notfallplan angemeldet. Nach unseren Plänen sollen zum Beispiel geschädigte Waldbesitzer noch im Jahr 2019 rückwirkend in den Genuss einer finanziellen Aufarbeitungshilfe kommen, die ihren Mehraufwand zum Teil ausgleichen soll. Die Wiederbewaldung wird hoch bezuschusst.
Wie ist der aktuelle Stand bei diesen Plänen? Können die Waldbesitzer mit Landesförderungen rechnen?
Auf jeden Fall. Für die Bewältigung der kurzfristigen Schäden und die rasche Wiederbewaldung der entstandenen Freiflächen mit klimastabilen Wäldern werden wir die Waldbesitzer mit unserem Notfallplan unterstützen, der seit September beraten wird und dessen Endabstimmung mit den Verbänden und den betroffenen Ressorts in den letzten Zügen liegt. Um unsere Wälder langfristig fit für den Klimawandel zu machen, werden wir eine "Waldstrategie 2050" aufsetzen. Dabei geht es vor allem um Forschung und Vernetzung, aber auch um Fördermittel für den Waldumbau.
Sie sprachen vorhin die Holzmärkte an: Teilweise purzeln die Preise. Wie konnte es zu dieser Situation kommen?
Es sind vor allem die Nadelstammholzpreise, die am Boden sind. Es gibt ein Riesenangebot an teils qualitätsgemindertem Käferholz, das in ganz Mitteleuropa auf die Märkte drückt. Solche Entwicklungen sind in der Folge von großen Schadereignissen die Regel. Gefälltes Rundholz lässt sich nicht im großen Stil und nur begrenzte Zeit lagern. Um die Märkte nicht zusätzlich zu belasten, haben wir im Staatswald den Einschlag von frischem Nadelstammholz praktisch eingestellt.
Auch der Borkenkäfer macht dem Wald zu schaffen. Was kann man dagegen tun?
Das A und O der Borkenkäferbekämpfung ist die sogenannte "Saubere Waldwirtschaft". Das bedeutet, dem Käfer, der einen Baum befallen hat, die Nahrungsgrundlage zu entziehen. Diese noch grünen Bäume müssen geschlagen und sofort aus dem Wald gefahren werden. Die Kronen, Äste und schwächere Stammteile müssen gehackt werden. Auch die regelmäßige Kontrolle gefährdeter Fichtenwälder auf Käferbefall gehört zur Käferprävention. Auch sind naturnah und standortsangepasste Mischwälder grundsätzlich weniger anfällig für den Borkenkäfer.
Welche Maßnahme ergreifen Sie beim Thema "Waldsterben"?
Das klassische "Waldsterben" aus den 1980er-Jahren haben wir in weiten Teilen hinter uns gelassen: Der Politik ist es gelungen, durch konsequente Luftreinhaltemaßnahmen die ärgsten Schäden abzuwenden. Ich finde, das ist mit einer der größten Erfolge in der Geschichte der Bundesrepublik. Manche bezeichnen das, was sich momentan in unseren Wäldern abspielt, als "Waldsterben 2.0". Ich halte diesen Begriff weder für treffend, noch für zielführend. Wir werden auch künftig einen Wald haben, aber eben einen anderen. Das wird ein gesteuerter Prozess sein, der sich über Jahrzehnte hinweg erstreckt und der viel Arbeit und Geld erfordert. Wir werden uns an den natürlichen Abläufen orientieren und auch mit Baumarten arbeiten, die früher, also vor den Eiszeiten, bei uns beheimatet waren. Auch heimische Baumarten mit Herkünften aus wärmeren Regionen der Welt sind für die Forstexperten von Interesse. Mir gefällt deshalb der Begriff "Waldumbau 2.0" sehr viel besser.