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Mosbacher Pfarrer auf Spurensuche: "Diese Geschichten machen nachdenklich"

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Von Stephanie Kern

Mosbach. "Ich bin mit Onkel Richard aufgewachsen", sagt Richard Lallathin. Dabei ist er ohne Onkel Richard aufgewachsen. Sondern mit einem Foto von ihm. Und mit seinem Namen. "Er war für mich weit weg, ein Onkel mit strengem Blick", erzählt Lallathin. Sein Onkel ist am 27. September 1942 im Zweiten Weltkrieg in Russland gefallen. Im Jahr 2005 dachte sich der evangelische Pfarrer, "darum kann ich mich jetzt kümmern" - und machte sich gemeinsam mit dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge daran, nach den sterblichen Überresten seines Onkels zu suchen.

Richard Lallathin - der Jüngere - ist in einer Großfamilie aufgewachsen. Die Geschichte von Onkel Richard war präsent. Allein dadurch, dass an seinem Geburtstag und an seinem Todestag über ihn gesprochen wurde. "Onkel Richard wäre heute so alt", oder "Onkel Richard ist jetzt seit 25 Jahren tot", hieß es da etwa. Die Familie wusste, dass Richard Lallathin - der Ältere - zwischen Maikop und Tuapse (in der Nähe von Sotschi) gefallen ist. Und just in dem Jahr, in dem der Pfarrer und Religionslehrer Lallathin mit den Recherchen begann, waren die Verhandlungen zwischen Russland und dem Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge erfolgreich. Verhandlungsgegenstand war ein Soldatenfriedhof in Apscheronsk, am Fuße des Kaukasus. "Das war bewegend für mich", erzählt Lallathin.

Durch Zeitschriften und Bücher wurde er auf Fachliteratur zu dem Vorstoß der Deutschen über den Kaukasus in Richtung Baku aufmerksam. In dieser Heeresgruppe war Onkel Richard dabei. "150.000 Soldaten starben damals. Ziel war es, diese zu exhumieren und für sie einen zentralen Friedhof zu schaffen", berichtet Lallathin. In der Fachliteratur fiel ihm gleich ein markantes Datum auf: der 27. September. Der Todestag seines Onkels war der erste Tag der Großoffensive der Deutschen. "Von daher war ich mir sicher, dass er begraben wurde."

Die Bücher haben ihm geholfen, die individuelle Geschichte seines Onkels in den Gesamtkontext einzuordnen. Vor wenigen Jahren kam dann auch ein Auszug aus dem Namensregister des Friedhofs in Apscheronsk. Dort taucht der Name Lallathin gleich zwei Mal auf. Einer der beiden ist "Richard Lallathin". Er wurde exhumiert und umgebettet. "Zuerst war ich irritiert, dass man ihn nicht dort belassen hat, wo er so viele Jahre begraben lag. Aber es ist natürlich richtig und wichtig, dass es Mahnmale und Erinnerungsorte gibt." Einen Ort zum Trauern.

"Positiv" bewertet der Pfarrer und Religionslehrer die Arbeit des Volksbundes Deutsche Kriegsgräberfürsorge. "Weil alle Zeichen auf Versöhnung stehen." Dass der Volksbund die Erinnerung wachhalte, das finde er gut. "Ich bin ein glühender Verfechter des Volkstrauertags. Und ich stelle fest, dass diese Geschichten heute alle sehr nachdenklich machen." Wie auch die Briefe von Annelies (eine Freundin der Familie) an Onkel Richard, datiert aus dem Jahr 1942. Die liest er mit seinen Schülern im Religionsunterricht. "Da wird der größte Rabauke still", so Lallathin.

"Mit 20 Jahren hat Onkel Richard seine erste große Reise angetreten. Ein halbes Jahr später war er tot." Das ist auch so ein Satz, bei dem die Rabauken still und die Menschen nachdenklich werden. Für Richard Lallathin bedeutet dieser Satz vor allem Schmerz: "Das ist eine um das Lieben und Leben betrogene Generation. Solche Zeiten wollen wir nie wieder erleben." Das gehe nur über das Erinnern - und die hält der Volksbund wach.

Info: Am Dienstag, 25. April, 19.30 Uhr, gibt das Heeresmusikkorps Ulm in der Alten Mälzerei in Mosbach ein Konzert, dessen Einnahmen der Arbeit des Volksbunds Deutsche Kriegsgräberfürsorge zufließen. Für dieses Konzert verlost die RNZ fünf Mal zwei Karten unter allen Anrufern, die sich heute zwischen 10 und 10.30 Uhr unter der Telefonnummer (0 62 61) 93 22 71 64 melden.


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