Von Debora Gruhler
Mosbach. Der Biowissenschaftler Dr. Robert R. Junker, ehemaliger Schüler des Nicolaus-Kistner-Gymnasiums in Mosbach und derzeit assoziierter Professor an der Universität Salzburg, wird für seine Arbeiten zur Biodiversität mit einer 1,2 Millionen dotierten Start-Förderung ausgezeichnet. Mit seinem Projekt "Sequentielle Entstehung von Funktionaler Multidiversität" möchte Junker ein neuartiges und umfassendes Verständnis für Ökosystemprozesse ermöglichen, sodass zukünftig Naturschutzmaßnahmen besser geplant werden können. Neben fünf weiteren wissenschaftlichen Preisträgern wird Robert Junker am 12. September in Wien diese renommierte Auszeichnung vom österreichischen Wissenschaftsfond (FWF) verliehen.
Bereits in der Schulzeit am NKG in Mosbach interessierte sich Robert Junker außerordentlich für Biologie - zum Abitur wurde er für besondere Leistungen im Fach Biologie mit dem Preis des Lions-Clubs ausgezeichnet. Sein Interesse lag zunächst im Bereich der Molekularbiologie, jedoch entwickelte er im Laufe seines Studiums in Konstanz und Würzburg seine Leidenschaft für die Ökologie. Im Jahr 2010 schloss Junker seine Promotion über das Thema "Düfte als florale Verteidigung" mit der Auszeichnung "summa cum laude" ab. Nun wird er dieses Jahr mit Österreichs höchster Auszeichnung für Nachwuchsforscher geehrt. Der Rhein-Neckar-Zeitung gewährte er einen kleinen Einblick in seine Forschungen zur Biodiversität.
"Die Frage des Projekts ist: Wie entsteht Biodiversität?", erklärt Junker im Telefongespräch. Um darauf eine Antwort geben zu können, wird der Forscher in den nächsten sechs Jahren das Projekt zur Biodiversität in einer Kombination aus Feldarbeit und Laborforschung leiten. "Es soll untersucht werden, welche Mechanismen, welche Prozesse in neu zu besiedelten Gebieten wirken und welche Organismen - Pflanzen, Tiere, Bakterien und Pilze - es dazu braucht."
Das Zusammenwirken von Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen ist für ein funktionierendes Ökosystem von enormer Bedeutung. Desto alarmierender ist der dramatische Rückgang der Artenvielfalt, der Biodiversität. Zahlreiche und umfassende Untersuchungen beschäftigen sich bereits mit dem Verfall der Ökosysteme, jedoch besitzt die Wissenschaft bisher nur wenige Informationen über deren Entstehung. Gerade deshalb ist das Projekt des aus Auerbach stammenden Wissenschaftlers so innovativ.
Zunächst werden sich Junker und seine Mitarbeiter eingehenden Feldforschungen in den Gletschervorfeldern der österreichischen Alpen widmen. Durch den Rückgang der Gletscherfelder werden hier Gebiete freigelegt, auf denen sich die Sukzession, das heißt, die zeitliche Aufeinanderfolge der Besiedlungsprozesse verschiedener Organismen, besonders gut beobachten und zeitlich genau datieren lassen. Auf dieser Grundlage werden in einem zweiten Schritt statische Methoden entwickelt, mit denen die Mechanismen zwischen Pflanzen, Tieren und Mikroorganismen ausgewertet werden können.
In Laborarbeit werden darauf aufbauend die Vorstellungen über die Ökosystemprozesse in Experimenten mit kontrollierten Bedingungen überprüft. Dabei soll herausgefunden werden, welche Organismen und Prozesse für eine entstehende Biodiversität von herausragender Bedeutung sind. Die Erkenntnisse aus allen Projektschritten sollen in einem Syntheseprozess am Ende zu konkreten Managementempfehlungen führen, die von anderen Wissenschaftlern für die Wiederherstellung oder Neubesiedelung bestimmter Gebiete verwendet werden können. Denn ein Ziel des Projektes sei es, so Junker, auch zu lernen, wie gestörte Ökosysteme wieder renaturiert werden können - etwa durch die Bekanntgabe bestimmter "Schlüsselarten" (besonders wichtige Organismen in einem Ökosystem).
Dass dieses Projekt mit dem Start-Preis ausgestattet wird, zeigt auch dessen enorme Bedeutung für den Umweltschutz. Neben dem Klimawandel ist auch der menschliche Einfluss auf die Ökosysteme ein großes Problem für die Natur. Es gibt in Europa nahezu keine von Menschen unberührten Gebiete mehr, man spricht gar von einer "Biodiversitätskrise", vom Massenaussterben der Arten. "Es besteht ein enormer Handlungsbedarf", so Junker, "um einerseits den Zerfall von Ökosystemen aufzuhalten und damit Diversität (=Artenvielfalt) zu erhalten, und andererseits gestörte Gebiete wieder zu renaturieren".
Das Start-Programm richtet sich an junge Spitzennachwuchsforscher und -forscherinnen aller Fachdisziplinen und wird vom FWF jährlich an ausgewählte Kandidaten verliehen. Der Preis gibt vor allem jungen Forschern die Möglichkeit zum Ausbau einer Arbeitsgruppe sowie zur langfristigen Planung ihrer Forschung. Neben der besonderen Ehrung seiner Arbeit durch den Preis liege gerade in der Langfristigkeit und dem hohen Finanzvolumen die Besonderheit der Start-Förderung, so Dr. Junker.
Auf die Nachfrage zu seinen beruflichen Zukunftsplänen meint Junker leicht schmunzelnd: "Für die nächsten sechs Jahre bin ich mit dem Projekt erst einmal ausgelastet." Gern möchte er sich weiterhin mit der Interaktion von Bakterien und Pilzen mit Tieren und Pflanzen beschäftigen. Denn die Mechanismen und Prozesse zwischen den verschiedenen Arten bleibe "ein extrem komplexes System".